1867 -
München
: Königl. Central-Schulbücher-Verl.
- Autor: Marschall, Georg Nicolaus
- Hrsg.: ,
- Sammlung: Realienbuecher vor 1871
- Schulbuchtyp (WdK): Lehrerbuch
- Schultypen (WdK): Mittlere Lehranstalten, Fortbildungsschule, Präparandenschule
- Schultypen Allgemein (WdK): Mittlere Lehranstalten, Niedere Lehranstalten, Lehrerbildungsanstalten
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 2 – Sekundarstufe 1, Klassen 5/6/7 – 8/9/10
- Schulformen (OPAC): Gewerbeschule, Handelsschule, Landwirtschaftsschule, Präparandenanstalt, Mittelschule
- Regionen (OPAC): Bayern
158. Der Fuchs.
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wenig. Indessen kommt ihm doch auch
der Appetit; es wirft sich unter die
Mutter auf die Kniee und saugt. Sie
wendet den Blick zurück und leckt dem
Kleinen das Fell glatt. Der Bock sieht
zu. — Man kann eine Bewegung der
Freude nicht unterdrücken und richtet sich
auf, um die halb vom Gras verborgene
Gruppe ganz zu sehen. Aber das Ge-
räusch ist dem Walde fremd, die Thiere
spitzen die Ohren, der Bock stampft
zornig auf den Boden — das Pfeifen
ertönt---------die friedliche Gruppe löst
sich auf, die Rieke tritt eilig den Rückzug
in's Gebüsch an, das Kitzchen trippelt
hinter ihr her und der Bock, der sich vor
seinem blitzschnellen Verschwinden noch
einmal schnaufend umwendet, deckt die
Flucht.
158. Der Fuchs.
1. Der Regen verzieht, der Wald schüt-
telt die lauen Tropfen aus dem Haupt
und von der Heide steigt's erfrischend
und würzig in die Abendluft. In allen
Schlupfwinkeln regen sich Füße und
Flügel. Die Mücken beginnen ihre
Tänze, die Ameisen kriechen hervor,
ihre verschwemmten Straßen wieder her-
zustellen, der Fink schmettert aus dem
Buchenwipfel herab, der Hase schießt
Kapriolen und auch der Fuchs verspürt
ein heimliches Rühren. Dort lauscht
er zwischen den Wurzeln einer alten
Eiche; er „windet". Alles ist sicher.
Mit einem Sprunge ist er vor der
Thüre. Jetzt können wir ihn deutlich
sehen. Wie er da steht, so vornehm-
läßig, so voll Bewußtsein! Es verlohnt
sich schon, ihn etwas genauer zu be-
trachten, denn nichts an ihm ist unbe-
deutend.
Der Fuchsschädel kann für einen
Musterschädel gelten: Die Stirne hori-
zontal mit straffangezogener, listig glatter
Stirnhaut; das Ohr scharf herausgespitzt,
schiebt sich unten weiter vor, um jeden
Laut zu fassen. Und die Rase! Wie
viel Feinheit und Bosheit liegt in die-
ser langgestreckten, geschmeidigen Spitze!
Das Auge zeigt sogleich das nächtliche
Ranbthier; es spielt aus Grau in Grün,
liegt schief, halb in der Höhle versteckt,
hat weder die Klarheit, die uns aus
dem Auge des Rehes so gewinnend an-
spricht, noch auch das rollende Funkeln,
welches dem Katzenauge einen so eigen-
thümlichen Reiz verleiht; und doch liegt
unendlich viel in diesem Auge. Jetzt
senkt es sich in demüthiger Ergebung
oder es blickt unschuldig umher; jetzt
spielt ein spöttisches Lächeln um die
Lider, und jetzt wieder zuckt ein Blitz
daraus hervor, spitz und giftig, als träfe
uns der Stich einer Viper. Der Mund
spaltet sich weit, denn der Fuchs ist ein
Raubthier; die Lippen sind fein ge-
schnitten und geschlossen und deuten auf
Festigkeit und Selbstbeherrschung. Oeff-
nen sie sich aber, dann blecken scharf und
grimm die Zacken des Gebisses, die
nichts Lebendes entrinnen lassen, oder
es knurrt ein heiseres, hustenartiges
Bellen hervor. Den schlanken Leib tra-
gen schnelle Füße fast spurlos über den
Boden, und stattlich schmückt ihn die
buschige Schleppe. Sein Kleid schimmert
roth und goldig und auf der Brust
trägt er ein weißes Chemisett.
So schleicht und streicht der Schlaue
dahin, er schmiegt und biegt sich, ist
vorsichtig, geduldig, ausdauernd, be-
hende, allzeit entschlossen, ein Meister
über hundert Künste, in der That werth,
der Held einer Dichtung zu sein, wie
sie aus dem grauen Alterthume uns
überliefert und durch Meister Göthe
auf's Neue in kunstmäßige Verse ge-
bracht wurde.
2. Doch schauen wir uns wieder nach
unserm Fuchse um. Noch immer lehnt
er an seiner Thüre und scheint den
Abend in süßem Nichtsthun verträumen
zu wollen. Inzwischen kommen ein
paar junge Füchslein neben ihm zum
Vorschein. Klugforschend äugeln sie um-
her, legen sich in die Sonne und trei-
den allerhand Kurzweil. Das Jüngste
ist noch etwas täppisch. Es fängt Gras-
hüpfer und Käfer, zerzaus't ihnen die
Flügel, läßt sie zappeln, schnäufelt daran