1867 -
München
: Königl. Central-Schulbücher-Verl.
- Autor: Marschall, Georg Nicolaus
- Hrsg.: ,
- Sammlung: Realienbuecher vor 1871
- Schulbuchtyp (WdK): Lehrerbuch
- Schultypen (WdK): Mittlere Lehranstalten, Fortbildungsschule, Präparandenschule
- Schultypen Allgemein (WdK): Mittlere Lehranstalten, Niedere Lehranstalten, Lehrerbildungsanstalten
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 2 – Sekundarstufe 1, Klassen 5/6/7 – 8/9/10
- Schulformen (OPAC): Gewerbeschule, Handelsschule, Landwirtschaftsschule, Präparandenanstalt, Mittelschule
- Regionen (OPAC): Bayern
177. Der Bergbau.
377
schon seit den ältesten historischen Zeiten
jeder heftige Sturm, der den ehemaligen
Waldboden aufwühlt, das werthvolle
Fossil an den Strand wirft, und daß
wahrscheinlich eine späte Zukunft sich noch
in unvermindertem Maße seines Fundes
erfreuen wird. —
In den Seestädten Danzig und
Königsberg, wo der meiste See-
und Erdbernstein zusammenfließt, wird
er je nach seiner Größe und Qualität
sortirt. Die größeren, feinen und reinen
Stücke, etwa bis zum Umfang einer
Haselnuß, sind Sortiments- und
Arb eit s steine; die kleineren heißen
kleine Waare. Den durchscheinen-
den Beruftem schätzt man höher, als
den durchsichtigen und den undurch-
sichtigen; diese beiden stehen daher auch
um ein Drittel im Preise niedriger, als
die ersteren. Von der kleinen Waare,
aus denen sich noch Lohnen- und erbsen-
große Corallen drehen lassen, kostet das
Pfund gewöhnlich 1—2 fl. — Was aber
hierzu nicht mehr taugt, wird zur Fir-
niß-, Oel- und Säurebereitung oder zum
Räuchern verbraucht und von 21¡2 bis
zu 15 Silbergroschen das Pfund verkauft.
Der Bernsteinarbeiter muß an den
vorhandenen Stücken mit Feile, Meißel
und Grabstichel seine Kunst erproben und
je nach der Vollkommenheit und Voll-
endung der dargestellten Gegenstände dem
rohen Stoffe einen höheren Werth er-
theilen. —
Der beste durchscheinende Bern-
stein geht zum Großhandel nach dem
Orient; der durchsichtige und der ganz
undurchsichtige wird von den Morgen-
ländern verachtet. Die sehr geschickten
Arbeiter in Constantinopel fertigen dar-
aus Mundstücke zu türkischen Pfeifen-
röhren an, welche oft mit Perlen und
Edelsteinen aller Art verziert und zu
fast unglaublichen Preisen an die Großen
des Reiches verkauft werden. Eine etwas
geringere Sorte rohen Bernsteins pflegt
über London und Kopenhagen nach China,
Japan, Ost- und Westindien zu gehen.
Auch Rußland bezieht viel Bernstein,
der, sehr zierlich und künstlich verarbeitet,
im ganzen russischen Reiche verbreitet
ist. — Bei uns ist der Handel mit
Bernstein jetzt nicht mehr so bedeutend,
obgleich noch Halsschnüre, Pfeifen- und
Cigarrenspitzen daraus verfertigt werden.
Der verfeinerte Luxus, der den Schmuck
der genügsameren Vorfahren verschmäht,
hat durch die geringere Nachfrage nach
diesen Fabrikaten den Erwerb der damit
Beschäftigten so beschränkt, daß sie sich
nur kärglich ernähren können.
177. Der
1. Ein klarer, frischer Herbstmorgen
tagt. Die ersten Strahlen der auf-
gehenden Sonne beleuchten eine rauhe,
steinige Gebirgsgegend. Rings herrscht
tiefe Stille, nur unterbrochen von dem
Geläute einzelner Glöckchen, das hier
und da aus dem Thale und von den
Berghöhen herüberklingt. Aus dem Dun-
kel des Thales steigen jetzt einzelne Ge-
stalten herauf. Es sind Bergleute in
ihrer eigenthümlichen Tracht, und ihre
ernsten Mienen deuten auf ein ernstes
Thun, zu dem sie sich rüsten. Das
Glöcklein ruft sie zur Fahrt in die Tiefe.
Glück auf! ihr Männer, Glück auf zur
rüstigen Arbeit, deren Mühen und Ge-
fahren die Nacht der Tiefe vor den
Augen der Welt verhüllt. Die dumpfe
Stille wird bald unterbrochen von den
Bergbau.
klirrenden und schrillenden Hammer-
schlägen der Arbeiter, vom Knarren und
Dröhnen der Räder und Maschinen,
oder dann und wann vom Krachen ein-
zelner Schüsse, die mächtig widerhallen
und in fernem Beben sich verlieren,
oder vom Donner einer gesprengten
Mine, der langsam durch die unter-
irdischen Gänge hinrollt.
Warum, fragst du schaudernd, wagt
der Mensch sich in diese unheimlichen
Tiefen, warum wühlt er sich diese Gänge
und Höhlen, die nie der goldene Glanz
des Tages belebt? In diesen Tiefen
ruhen die köstlichsten Schätze der Erde;
mächtig locken dieselben und reichlich
lohnen sie die Mühe der Arbeit. Sie
sind, wie sie es vor Alters waren, noch
heut die Grundlagen aller Industrie und