1844 -
Hamburg
: Herold
- Autor: Straus, Carl
- Auflagennummer (WdK): 3
- Sammlung: Realienbuecher vor 1871
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Schultypen (WdK): Volksschule
- Schultypen Allgemein (WdK): Niedere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 1 – Primarstufe, Klassen 1 – 4/6
- Schulformen (OPAC): Volksschule
- Regionen (OPAC): Hamburg
- Inhalt Raum/Thema: Geographie, Völkerkunde?
- Inhalt: Zeit: Geographie
- Geschlecht (WdK): koedukativ
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Er fragte sie also, was ihr fehle. „Ach, sagte sie, ich
kann die Meinigen noch nicht vergessen. Hier bin ich so
allein; und bei meinem Vater hatte ich eine Menge Ge-
spielen und so viele Gesellschaft, als ich nur verlangte." —
„Die sollst du auch hier haben, antwortete Rübezahl, und
zwar, welche du willst. Warte nur ein wenig!"
Er ging darauf fort in den Garten, zog ein Dutzend
Rüben aus einem Beete, legte sie in ein zierliches Körb-
chen, trat damit vor die Prinzessin hin, und sagte: „Zn
diesem Körbchen ist alles, was du wünschest. Nimm diesen
Zauberstab, und berühre damit die Rüben, so werden sie
die Gestalt bekommen, welche du haben willst."
Die Prinzessin machte sogleich die Probe, ob ihr diese
Schöpfung gelingen würde. Indem sie mit dem Stabe
eine Rübe berührte, nannte sie den Namen ihrer liebsten
Freundinn, Brinhild. Zm Augenblick war Brinhild da, fiel
der Prinzessin zu Füßan, küßte ihre Hände und benetzte
sie mit Freudenthränen. Erstaunen und Entzücken ergriff
die Prinzessin, als sie ihre geliebte Brinhild wieder sah,
und sie wußte erst keine Worte zu finden, ihre Empfindun-
gen auszudrücken. Sie ergriff ihre Freundin bei der Hand,
umarmte sie zärtlich, und erzählte ihr in aller Kürze ihr
Schicksal. Dann führte sie dieselbe in dem Pattaste und in
dem Garten umher, und zeigte ihr die Wunder von Schön-
heit, welche Rübezahl hieher gezaubert hatte.
Da die erste Probe so gut ausgefallen war so beschloß
die Prinzessin, vermittelst des Stabes, auch die andern
Rüben zu beseelen, und ihnen die Gestalt der Jungfrauen
zu geben, die vormgls zu ihrer Bedienung bestimmt gewesen
waren. Dies geschah; es blieben aber noch zwei Rüben
übrig, von denen sie die eine in eine schöne Cyperkatze, und
die andere in ein niedliches Hündchen verwandelte.
Nun hatte sie beinahe ihren ganzen vorigen Hofstaat
wieder zusammen, und lebte einige Wochen lang in der ge-
wohnten Gesellschaft recht glücklich. Doch bemerkte sie nach
und nach mit Betrübniß eine Veränderung in der Gestalt
der Jungfrauen; ihre Gesichter wurden blaß, ihre Glieder
fingen an hinzuwelken, und sie zehrten sichtbar ab, ob sie
gleich immer recht gut aßen und tranken. An einem Mor-
gen, als die Prinzessin erwachte, und ihren Dienerinnen
mit der Glocke das Zeichen gab, daß sie kommen, und sie
ankleiden sollten, wackelte ein halbes Dutzend alter Mütter-