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1. Deutsches Lesebuch - S. 29

1844 - Hamburg : Herold
29 Prinz Ratibor hatte von dem Tage an, da seine Schwester entführt worden war, weder Ruh noch Rast ge- habt. Er zog über Berg und Thal, und durchstreifte die Wälder vom Morgen bis zum Abend, um der geliebten Schwe- ster auf die Spur zu kommen. Ermattet von der Mittags- hitze, saß er gerade unter einer schattigen Eiche, als die abge- sandte Elster in diesen Bezirk kam. Sie flog von einem Baume zum andern, und blickte unter sich, ob sie den Prin- zen gewahr werden möchte. Da hörte ste mit einemmale eine seufzende Stimme, welche den Namen Emma aussprach, und zugleich sah ste den Prinzen unter dem Baume sitzen. Sie säumte nicht, ihn anzureden, und ihm das Schicksal der gefangenen Prinzessin zu erzählen. Ratibor horchte hoch auf, sah sich nach allen Seiten um, und erblickte end- lich über sich die geschwätzige Elster. Erstaunt über das Wunder, that er mancherlei Fragen; aber die Elster konnte ihm nichts anders bestellen, als was Emma ihr gelehrt hatte. Als Ratibor hörte, daß ste nach drei Tagen ihn an der Grenze des Gebirges zu finden wünschte, sprang er schnell auf, eilte nach Hause, rüstete seine Dienerschaft, und zog mit ihr hin an den bestimmten Ort. Emma hatte indessen schon eine Lisi ersonnen, wodurch sie den Berggeist täuschen, und sich unbemerkt aus seiner Gewalt befreien wollte. Sie stellte sich sehr fretmdlich gegen ihn, und sagte, nun wäre sie entschlossen, ganz bei ihm zu bleiben; doch wünschte ste noch vorher eine Probe seiner auf- richtigen und standhaften Freundschaft von ihm zu erhalten. Voll Freude über diese Worte sagte er: „Fordre von mir, was du willst, es soll dir nichts versagt werden." — „Gut, antwortete sie, morgen sollst du meinen Wunsch erfahren!" Am andern Tage früh legte Emma ihre kostbarsten Kleider an, und schmückte sich wie eine Braut. Als Rübezahl vor ihr erschien, sagte sie: „Gieb mir diesen einzigen Beweis deiner Gefälligkeit Geh hinaus auf den Acker, und zähle alle Rüben, die darauf stehen! Ich will sie hernach in meine Dienerinnen verwandeln, und sie sollen Zeugen meines Glü- ckes sein. Aber verzähle dich ja nicht, auch nicht um eine einzige, denn daran will ich deine Treue prüfen." Rübezahl ging, und zählte mit solchem Eifer, daß er bald fertig war. Um indeß ferner Sache recht gewiß zu sein, ftng er noch einmal an zu zählen; aber am Ende fand er - zu seinem Verdrusse, daß die Summe, die er jetzt heraus-
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