1844 -
Hamburg
: Herold
- Autor: Straus, Carl
- Auflagennummer (WdK): 3
- Sammlung: Realienbuecher vor 1871
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Schultypen (WdK): Volksschule
- Schultypen Allgemein (WdK): Niedere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 1 – Primarstufe, Klassen 1 – 4/6
- Schulformen (OPAC): Volksschule
- Regionen (OPAC): Hamburg
- Inhalt Raum/Thema: Geographie, Völkerkunde?
- Inhalt: Zeit: Geographie
- Geschlecht (WdK): koedukativ
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ten, den Blumengewinden glich, unter welchen die Fesseln
verborgen waren, womit sie die Deutschen zu umwinden
trachteten.
Auf diese und ähnliche Weise hatten die Römer es da-
hin gebracht, daß sie vom Niederrhein aus bis über die
Weser in Deutschland eindrangen. Sie erbauten an gelegenen
Stellen, vorzüglich an Strömen und Flüssen, feste Lager
oder Kastelle, woraus nachher manche deutsche Stadt ent-
standen ist. Ihn diese Kastelle hielten sie Märkte, und trieben
mancherlei Verkehr mit den Deutschen, wodurch sie immer
mehr mit den Deutschen in Gemeinschaft kamen, und diese
reizten, von ihrer einfachen Lebensweise abzuweichen, ihre
dichten Wälder zu verlassen, und an den lichten Platzen, in
-der Nähe der römischen Kastelle, sich anzusiedeln.
Nach und nach fingen die Römer an, eine Gerichtsbar-
keit über die in ihrer Nähe wohnenden Deutschen auszuüben.
Sie führten nicht allein römische Sitten, sondern auch die
römische Verwaltung ein, und versuchten auch die deutsche
Sprache durch die römische zu verdrängen, weil dies in der
That das beste Mittel war, die Freiheit des Volkes zu ver-
nichten; denn die Muttersprache ist das eigenthümlichste und
untrüglichste Zeichen, wodurch sich ein Volk von einem andern
unterscheidet. Diese Maaßregeln schienen genugsam durch
drei der besten Legionen römischer Soldaten unterstützt, die
in diesem Theile Deutschlands vertheilt waren. Um das
Jahr 6 nach Chr. Geb. kam Qu in tili us Va rus als rö-
mischer Statthalter in diese Gegend, ein stolzer, unverstän-
diger und dabei geiziger Mann. Er hielt die Deutschen schon
für völlig unterworfen, und glaubte daher ohne weitere Vor-
sicht nach Willkür über sie herrschen zu können. Oeffentlieh
hielt er Gericht, und ließ sich dabei die Zeichen seiner richter-
lichen Macht, wonach er über Leib und Leben verfügen konnte,
Stabe und Beile, vortragen. Waren zwischen Römern und
Deutschen Zwistigkeiten ausgebrochen, so sollten auch die
Deutschen sich den römischen Gesetzen und den römischen
Strafen unterwerfen, und nur zu oft mochte es kommen,
daß bei solchen Gelegenheiten zum Nachtheil der Deutschen
entschieden ward, besonders da die Verhandluitgen in einer
der Deutschen fremden Sprache geführt wurden. Jener
Anblick der Knechtschaft und dieses ungerechte Verfahren em-
pörte das deutsche Gemüth, und erweckte mit neuer Kraft
die alte, schon eingeschlummertr Freiheitsliebe. Mit tiefem