1807 -
Soest
: Floß
- Autor: Ehrlich, Carl Gotthilf, Frenzel, Franz Christoph
- Sammlung: Realienbuecher vor 1871
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
I
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Das Gespenst.
I Heinrich sollte einmal des Abends nach Ii Uhr, da feine
Mutter plötzlich sehr krank geworden war, den Arzt rur
fen. Kr war aber außerordentlich furchtsam, weil abergläu-
bische und unverständige Leute ihm in seiner Kindheit viel
von Gespenstern erzählt hatten. Gern hätte er «s von steh
abgelehnt, diesen Weg noch so spät zu gehen; aber es war
Niemand weiter da, als icin Vater, welcher die Mutter in
diesen Umständen nicht gern verlassen wollte.
Mit bangem Herzklopfen nahm er die Laterne, und .
schlich zum Hause hinaus-. Schüchtern sahe er sich nach
allen Seiten um, wo er ging, und das kleinste Geräusch
setzte ihn in Schrecken. Als er um die Ecke der ersten
Strasse trat, sahe er beim Schein der Laterne eine lange
weisse Gestalt unter dein Fenster eines Hauses stehen, wor-
über er so erschreck, dais er gleich wieder zurück lief,
und todrblass, und ohne ein Wort sprechen zu können,
zu Hause ankam.
Der Vater errieth bald die Ursacb seiner Furcht, und
um ihn dreister zu machen, ging er nun selbst mit. Als
sie an die Ecke hinkamen, stand die Figur noch da, un-
beweglich, in einem langen Mantel gehüllt, Heinrich wollte
schon anfangen laut zu schreien und davon zu laufen, aber
der Vater hielt ihn fest, und redete die Gestalt an; da er-
kannten sie, dass es der Nachtwächter war, der hier sei-
nen gewöhnlichen Stand um diese Zeit hatte, Jndess hatte
der nllzuheftigc Schreck Henrichen so angegriffen, dass er
eine schwere Krankheit bekam, wovon er lange nachher
erst befreiet wurde.
Furchtsamkeit ist die Mutter der Gespenster.
Wer furchtsam ist, kommt leicht in Lebensgefahr.
Traumdeuterinn.
Änna war sehr abergläubisch, und fast bei jedem
Traume ängstigte sie sich, weil er nach ihrer Meinung
etwas Unglückliches bedeutete. Träumte sie von Ros-
marin