1807 -
Soest
: Floß
- Autor: Ehrlich, Carl Gotthilf, Frenzel, Franz Christoph
- Sammlung: Realienbuecher vor 1871
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
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er schon m den ersten Jahren sich selbst überlassen wür-
de?—
Ein jeder Mensch kann unterscheiden, was wahr, und
was falsch ist. Er kann sich unzählige richtige Begriffe
machen, denn er hat das Vermögen, zu denken, und
dieß ist sein größter und herrlichster Vorzug vor den
Thieren. Er sieht z. B. ein, daß er nicht würde leben
können, wenn e.r nicht Speise und Trank zu sich näh-
me, keine Kleidung und keine Wohnung hatte; daß er
also diese drei Dinge nicht entbehren kann. So erhält
er einen Begriff von Bedürfnissen. Der Mensch kann
sich auch aus dem, waö er gesehen, gehört, verstan-
den und begriffen hat, eine Menge nützlicher Regeln
sammeln. Er hat z. B. gesehen oder gehört, daß ei-
ner, der unmäßig gegessen hatte, sehr krank geworden
war, und zieht aus dieser Erfahrung die Regel, daß
man nicht unmäßig essen müsse, wenn man gesund blei-
den wolle. Oberer hört, daß der Blitz sich nach den
Bäumen hinzieht, und zieht sich nun daraus die Regel,
daß man sich bei einem Gewitter nie unter einen Baum
stellen müsse. Auf diese Art lernt er, vermöge seines
Verstandes, einsehen, waö nützlich und was schädlich,
was zweckmäßig und waö zweckwidrig ist. Du gehst
in die Schule, und hast dabei den Zweck, etwas Nütz-
liches zu lernen, und verständig zu werden. Aber
wenn du nun in der Schule nicht aufmerksam bist, son-
dern plauderst, oder spielst, und umher gaffst, so han-
delst du Zweckwidrig; denn auf diese Art kannst du dei-
nen Zweck, verständiger zu werden, nicht erreichen.—
Durch seinen verstand wird der Mensch klug und ge«
schickt, und wie bewundernswürdig sind die Werke, wel-
che der menschliche Verstand hervorgebracht bat! Man
betrachte nur die prächtigen Gebäude, die großen Schif-
fe, den Weberstuhl, die'muhlen u, dgl. m. Ohne Ver-
stand wüßte der Mensch nichts vom Ackerbaue, von
Handwerken, Künsten, und andern nützlichen Erfin-
dungen.
Groß und dankenswerth sind die Vorzüge, welche
Gott dem Menschen zugetheilt hat! Wir wollen uns
die-