1854 -
Münster
: Aschendorff
- Autor: ,
- Hrsg.: ,
- Sammlung: Realienbuecher vor 1871
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Schultypen (WdK): Elementarschule
- Schultypen Allgemein (WdK): Niedere Lehranstalten
- Konfession (WdK): Römisch-Katholisch
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zwei letzten Groschen aber, die ich verschenke, ernähre ich aus
brüderlicher Liebe meine beiden armen und kränklichen Schwe-
stern. Der König war sehr vergnügt über den braven, edlen
Landmann, der mit aller Anspruchlosigkeit und heiterer Laune
von der Verwendung seines Lohnes gesprochen hatte, und be-
zeigte ihm seine herzliche Zufriedenheit. Nach einigen Tagen
wurde ihm dann bekannt gemacht, daß der König durch ein
kleines Zahrgeld ihm bcistehen wollte, seine sonderbaren Schulden
zu vergringern und sein Kapital für Zeit und Ewigkeit zu vermeh-
ren. Da erst erfuhr der gute Mann, wer mit ihm geredet hatte.
46 Schäme dich deiner Eltern nicht.
In dem Negimente des berühmten, von Friedrich dem
Großen hoch geehrten Generals von Ziethen stand auch ein
Rittmeister, mit Namen Kurzhagen. Er war klug, tapfer und
statte ein kindliches Gemüth. Seine Eltern waren arme Land-
leute im Mecklenburgischen. Mit dem Verdienstorden auf der
Brust rückte er nach Beendigung des siebenjährigen Krieges in
Parchim ein.
Die Eltern waren von ihrem Dörfchen nach der Stadt
gekommen, um ihren Sohn nach Jahren wieder zu sehen, und
erwarteten ihn auf dem Markte. Wie er sie erkannte, sprang
er rasch vom Pferde und umarmte sie unter Freudenthränen.
Bald darauf mußten sie zu ihm ziehen und aßen allezeit mit
an seinem Tische, auch wenn er vornehme Gäste statte.
Einst spottete ein Offizier darüber, daß Bauern bei einem
Rittmeister zu Tische säßen. „Wie sollte ich nicht die ersten
Wohlthäter meines Lebens dankbar achten?" war seine Ant-
wort. „Ehe ich des Königs Rittmeister wurde, war ich schon
viele Jahre ihr Kind."
Der brave General von Ziethen störte von diesem Vorfalle,
und bat sich selbst nach einiger Zeit mit mehreren Vornehmen
bei dem Rittmeister zu Gaste. Die Eltern des Letztern wünsch-
ten diesesmal selbst, nicht am Tische zu erscheinen, weil sie sich
verlegen fühlen würden. Als man sich setzen wollte, fragte
der General: „Aber Kurzhagen, wo sind Ihre Eltern? Ich
denke, sie essen mit Ihnen an einem Tische." Der Rittmeister
läcbelte und wußte nicht sogleich zu antworten.