1854 -
Münster
: Aschendorff
- Autor: ,
- Hrsg.: ,
- Sammlung: Realienbuecher vor 1871
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Schultypen (WdK): Elementarschule
- Schultypen Allgemein (WdK): Niedere Lehranstalten
- Konfession (WdK): Römisch-Katholisch
57
und den Götzen opfern sollte. Der Bischof aber sprach: Mein
Herr und König, das thue ich nicht. — Da ward der König
sehr entrüstet und sprach: Weißt du nicht, daß dein Leben in
meiner Gewalt steht, und daß ich dich tödten kann? Ein Wink,
und es geschieht. — Das weiß ich, antwortete der Bischof; aber
gestatte mir zuvor, daß ich dir ein Gleichniß vorlege, und eine
Frage zur Entscheidung. Gesetzt, einer deiner treuesten Diener
fiele in die Gewalt deiner Feinde, und sie suchten ihn zur Un-
treue gegen dich zu bewegen, damit er ein Verräther an dir
würde. Aber als dein Diener unverrückt beharrte in seiner
Treue, nahmen ihn die Feinde, zogen ihm alle seine Kleider
aus und jagten ihn nackend mit Spott von dannen. Sage,
mein König, wirst du, wenn er also zu dir kommt, ihm nicht
von deinen besten Kleidern geben und ihm die Schande mit
Ehre vergelten? — Da antwortete der König und sprach:
Nun wohl; aber was soll dieses, und wo ist solches geschehen?
Da sprach der fromme Bischof: Sieh, du kannst mich auch ent-
kleiden von diesem irdischen Gewände; aber ich habe einen
Herrn, der wird mich neu bekleiden. Sollte ich denn des Klei-
des achten und die Treue dafür hingeben? — Da sprach der
heidnische König: Gehe, ich schenke dir dein Leben.
b. Thomas Morus, Kanzler von England unter dem
König Heinrich Viii., gleich ausgezeichnet durch seine Staats-
kenntnisse, wie durch seine unbestechliche Wahrheitsliebe und
Rechtschaffenheit, verwaltete seine wichtigen Aemter mit der
größten Uneigennützigkeit. Obschon er die Gunst des Königs
im höchsten Grade besaß, konnte er doch sich nie zu einem
heuchlerischen Schmeichler herabwürdigen, so wenig er sich als
solcher empor geschwungen hatte.
Morus war bald genöthigt, sein Amt niederzulegen, weil
er auf keine Weise zu bewegen war, dem katholischen Glauben
untreu zu werden, und den von der Kirche abgefallenen König
durch einen Eid als Oberhaupt der Kirche anzuerkennen. Mal
gebrauchte daher Gewalt, warf ihn in's Gefängniß, beraub.e
ihn sogar seiner Bücher — seines einzigen Trostes. Seile
Gattin beschwor ihn, zu gehorchen, und sein Leben seinen Kin-
dern zu erhalten. „Wie viele Jahre, fragte erste, glaubstku,
daß ich noch leben kann?" „Ueber 20 Jahre," antwortete sie.