1854 -
Münster
: Aschendorff
- Autor: ,
- Hrsg.: ,
- Sammlung: Realienbuecher vor 1871
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Schultypen (WdK): Elementarschule
- Schultypen Allgemein (WdK): Niedere Lehranstalten
- Konfession (WdK): Römisch-Katholisch
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für das Schwesterlein aufgespart," und dann ging er wieder
zum Ofen zurück.
Eine halbe Stunde darauf kam der Vater zurück, schaute
die Frau mit tiefer Betrübniß an und sagte: „Theres! wir sind
recht unglücklich! Ich stehe den ganzen Morgen schon an der
Eisenbahn und habe noch keinen Kreuzer verdient. Ich wollte,
ich wäre todt; ich weiß nicht mehr, was zu machen." Unterdes-
sen sagte Hansel: „Vater! ich habe so arg Hunger; hast du
kein Brod mitgebracht?" Da schaute der Vater den Klei-
nen so finster an, daß er erschrocken sagte: „Vater ich will
es nicht mehr thun! Und als der Vater auch noch das kleinste
Kind sah, wie es in den Tod hinübersiechte, da wollte jeine
Seele untergehen in unendlichem Jammer und Schmerz, und
umsonst suchte er einen Ausgang aus dieser Noth. Endlich
sprach er: „Ich weiß jetzt nichts mehr, als ich verkaufe bei der
Versteigerung unsern Schubkarren." Und dieser war noch das
einzige Werkzeug, womit der Arbeitsmann sonst sein Brod verdiente.
An jedem Freitage wird in Antwerpen auf dem Markte Ver-
steigerung abgehalten, wozu Jeder bringen kann, was er will.
Der Mann gab dem Ausrufer seinen Schubkarren, und wartete
schrecklich traurig, bis die Reihe daran kam. Da gingen gerade
zwei reiche Fräulein über den Markt, und eine sagte zur an-
dern: „Sieh' doch, wie der Mann dort gar so traurig und ver-
stört allssieht." Sie blieben nun stehen in seiner Nähe und
hörten, daß ein Bekannter mit ihm redete, was er da thue, und
erfuhren hiedurch seine Noth. Sie beredeten sich nun, was sie
thun wollten. Sie steigerten mit, und erstanden den Schub-
karren um 27 Franken. Alles verwunderte sich und lachte, daß
so vornehme Frauenzimmer einen Schubkarren ersteigerten. Sie
zahlten sogleich und sagten dem Manne, er möge den Karren ihnen
heimführen, sie wollten ihn dafür besonders bezahlen. Er wollte
aber nicht, weil er ein nöthiges Geschäft habe; er wollte näm-
lich geschwind etwas zu essen kaufen für seine hungernde Fami-
lie. Da sie ihn nun fragten, wo er wohne, und er ihnen dies
beantwortet hatte, sagten sie, er mache keinen Umweg; gerade
dahin solle er den Schubkarren führen. Nun that er's; doch
mußte er noch am Wege anhalten, bis die Damen Erdäpfel,
Brod und Holz und einen Napf voll Reis kauften, und auf
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