1854 -
Münster
: Aschendorff
- Autor: ,
- Hrsg.: ,
- Sammlung: Realienbuecher vor 1871
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Schultypen (WdK): Elementarschule
- Schultypen Allgemein (WdK): Niedere Lehranstalten
- Konfession (WdK): Römisch-Katholisch
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Geld und ihre sonstigen Schätze bei Zeiten in Sicherheit zu
bringen. Als es daher eines Abends dunkel geworden war, be-
gaben sie sich, der eine mit einer Laterne und einem Spa-
ten, der andere mit einem schweren Topfe in beiden Händen,
in ihren Garten hinter dem Hause, um dort ihren Reichthum
zu vergraben.
Zufällig befand sich um dieselbe Stunde ihr Nachbar, ein
armer Tagelöhner und Vater von vielen unversorgten Kindern,
in seinem nebenanliegenden Gärtchen. Noth und Kummer hat-
ten ihn aus seinem Hause getrieben, er wollte sich in der fri-
schen Abendluft erholen. Durch den Schein der Laterne plötz-
lich aus seinem sorgenvollen Hinbrüten aufgeschreckt, stutzt
er anfangs ein wenig, faßt sich jedoch sogleich wieder, und
schleicht leise zur Hecke hin, welche beide Gärten von einander
trennt, und lauscht und lugt neugierig, um zu erfahren, was
das Licht zu bedeuten habe und was an der anderen Seite ei-
gentlich vorgehe. Die Laterne begünstigt ihn in der Dunkel-
heit, so daß er die Beiden genau beobachten kann, ohne selbst
der Gefahr ausgesetzt zu sein, von ihnen gesehen zu werden.
Auf den ersten Blick schon erräth er, was der seltsame Auf-
zug seiner Nachbarn zu bedeuten habe; und beim Gedanken an
all' das Geld, welches in dem Topfe enthalten sein müsse, wird
die Brust ihm fast zu enge, so daß er nur mit Mühe Athem
holen kann. Er bemerkt, wie der ältere der beiden Brüder,
als sie nahe bei der Hecke dicht neben ihm angelangt sind, auf
einen bestimmten Fleck hinweiset, und dem anderen zuflüstert:
„Also hier?" Dieser winkt schweigend mit dem Kopfe. Dann
geben sie sich schweigend an die Arbeit, graben in die Erde ein
tiefes Loch, stellen den Topf mit der größten Vorsicht hinein,
treten die Erde fest und suchen alle Spuren, welche den kostbaren
Schatz hätten verrathen können, sorgfältig zu entfernen. Hier-
auf gingen sie, nachdem sie sich noch scheu und ängstlich umge-
sehen, in ihr Haus zurück.
Nun erhob sich auch langsam der arme Tagelöhner hinter
der Hecke. Eine fieberhafte Aufregung hatte ihn ergriffen, das
Blut rollte ihm stürmisch durch die Adern, eine unsichtbare
Macht schien sich seiner bemächtigt zu haben und ihn anzuspor-
nen, einen Sprung über die Hecke zu wagen. Schon hatte er