1854 -
Münster
: Aschendorff
- Autor: ,
- Hrsg.: ,
- Sammlung: Realienbuecher vor 1871
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Schultypen (WdK): Elementarschule
- Schultypen Allgemein (WdK): Niedere Lehranstalten
- Konfession (WdK): Römisch-Katholisch
186
20 bis 30 Fuss. Wenn ein unbewaffneter Mensch ihm
begegnet, so kann er nichts Besseres thun, als aufrecht
und ruhig stehen bleiben und den Löwen unverrückt an-
sehen. Ist der Löwe nicht äusserst hungrig, so macht
dies, wahrscheinlich wegen der Höhe des aufrechten
Menschen, auf den Löwen einen so entschiedenen Fin-
druck , dass er sich langsam zurückzieht, sich dabei
zuweilen scheu nach dem Menschen umschaut, und zuletzt
eilends davon jagt. Will der Mensch fliehen, oder macht
er eine Bewegung, welche einen Angriff andeutet, so
stürzt der hungrige Löwe auf den Unglücklichen und
verschont ihn nicht weniger als die Thiere; ja er soll
sogar, wenn er einmal Menschenfleisch gekostet hat,
dasselbe jedem andern vorziehen und dann doppelt ge-
fährlich sein. Der Löwe scheint die Gefahren zu berech-
nen, was der Tiger, wenn er nicht völlig gesättigt ist,
nie thut. Schon aus diesem Grunde ist der Löwe be-
waffneten Menschen minder gefährlich als der Tiger.
Ueberdies mordet der Löwe nur, wenn ihn hungert, wäh-
rend selbst der gesättigte Tiger noch nach warmem Blute
lebender Wesen lechzt. Die Feuergewehre scheinen einen
grossen Eindruck auf die Löwen zu machen; wenigstens
versichern die Afrikaner, dass die Löwen, welche sich
in der Nachbarschaft der Menschen aufhalten, furchtsa-
mer sind, als diejenigen, welche Einöden bewohnen.
Die Jagd auf einen Löwen ist ausserordentlich ge-
fährlich. Man zieht in Mehrzahl aus und sucht ihn aus
seinem Versteck durch Hunde aufzuscheuchen. Diese ha-
den zwar nicht den Muth, ihm nahe zukommen, treiben
ihn aber doch durch ihr Gebell aus seinem Versteck.
Mit gewaltigen Sätzen stürzt der Löwe brüllend hervor
gegen seine Verfolger. Ist er ihnen auf 10 bis 15 Schritte
nahe gekommen, so staucht er sich zum Sprunge zusam-
men , und dies ist der Augenblick, wo die entschlossenen
Jäger ihren Schuss anzubringen pflegen, weil hier das
Thier ruhig ist und gerade Zeit gibt zum Zielen. In der
nächsten Sekunde würde er den Leib eines Jägers zer-
fleischen. Dasselbe geschieht, wenn er nicht getroffen,
oder nicht schwer genug verwundet wird.
Jüngere Löwen zeigen sich, wenn sie aufgejagt wer-
den, nicht so muthig, wie die alten. Gewöhnlich suchen
sie Anfangs zu entfliehen und stürzen sich erst, wenn sie
keinen Ausweg finden, mit Wuth auf die Verfolger. Völ-
lige Verachtung jeder Gefahr zeigt die Löwin, welche
ihre Jungen bedroht glaubt. In der Gefangenschaft