1854 -
Münster
: Aschendorff
- Autor: ,
- Hrsg.: ,
- Sammlung: Realienbuecher vor 1871
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Schultypen (WdK): Elementarschule
- Schultypen Allgemein (WdK): Niedere Lehranstalten
- Konfession (WdK): Römisch-Katholisch
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steckt und in mehreren Häuten verschlossen? Das hat er des-
halb gethan, damit dem zarten Keime die strenge Winterluft
nicht schade und keine Verletzung ihn treffe. Erst kommt eine
gröbere, härtere Schale, die wie ein Panzer den weichern
Kern umgibt; aber auf das derbere und festere Gehäuse folgt
noch eine weichere, feinere Haut, damit die härtere Schale
den weichen Kern nicht allzusehr drücke. So hüllen die zärt-
lichen Mütter ihre Kindlein in mehrere Tücher und legen die
feinsten zuerst um die zarten Glieder.
Hat das Samenkorn einige Tage im Dunkel der Erde ge-
schlummert, und hat der wohlverwahrte Keim seine Milch
verzehrt, so zersprengt er seine Hülle, dehnt und streckt sich
und tritt in zwei Spitzen hervor: im Federchen und Würzel-
chen. Das Würzelchen senkt sich nach unten zur Erde, denn
es weiß, daß es hier Speise und Trank findet. Um diese
desto sicherer zu finden und aufsaugen zu können, theilt es
sich in kleine Fasern, die wir Wurzelfasern nennen, und die
es ausstreckt, wie der Schmetterling seinen feingebogenen Rüs-
sel und der Polyp seine Arme. Das Federchen dagegen strebt
nach oben, möchte gar zu gern in die hohen Lüfte sich erhe-
den, wie die Vögel, wenn sie flügge geworden sind; denn
Luft und Sonnenschein sind seine Speise.
Ziehst du ein im Herbst gesäetes Roggenpflänzchen vor
Weihnachten aus dem Boden, so erblickst du dünne, braune,
senkrecht in die Erde hinabsteigende Wurzeln, die sehr tief
gehen, wofern nur der Boden locker und fruchtbar ist. So-
bald die warmen Frühlingstage kommen, sterben die alten
Wurzeln ab, die Pflanze treibt frische und beginnt ein neues
Leben. Ziehst du sie nun aus der Erde, so erblickst du weiße
Wurzeln, nicht wie früher in einer Richtung nach unten ge-
hend, sondern nach allen Richtungen ausgebreitet, viel dicker
und kürzer als die Herbftwurzeln. Diese sind dünn, denn sie
brauchen keinen hohen Stengel zu halten; sie streben tiefer
nach unten, da hier mehr Feuchtigkeit und Wärme ist, denn
nahe an der Oberfläche würden sie leicht erfrieren. Im Som-
mer soll die Wurzel von dem geringsten Regen Nahrung zie-
hen; darum zertheilt sich der Wurzelmund in viele kleinere
Mündchen, um leichter und schneller trinken zu können. Die