Anfrage in Hauptansicht öffnen
Dokumente für Auswahl
Sortiert nach:
Relevanz zur Anfrage
1854 -
Münster
: Aschendorff
- Autor: ,
- Hrsg.: ,
- Sammlung: Realienbuecher vor 1871
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Schultypen (WdK): Elementarschule
- Schultypen Allgemein (WdK): Niedere Lehranstalten
- Konfession (WdK): Römisch-Katholisch
375
hat auch mir Gott dies geoffenbart; aber es gefiel seiner
Weisheit, dieses durch einen Andern zu verkündigen. Wohlan
denn, du gebeutst, Allmächtiger, und dein Knecht gehorcht!"
Nun wurde der Schneider König und richtete sich einen förm-
lichen Hofstaat ein. Der Scharfrichter Knipperdölling wurde
sein Minister, Krechting sein Geheimrath. Acht und zwanzig
Trabanten bildeten seine Leibwache. Von nun an erschien er
stets im königlichen Gepränge, das Scepter in der Hand;
sein scharlachrother Mantel blitzte von Gold und Juwelen.
Ihm zur Seite gingen schön geschmückte Edelknaben, die
ein Schwert, eine Bibel, den Reichsapfel und die Krone
trugen.
Das Belagerungsheer machte unterdessen nur geringe Fort-
schritte; aber desto verderblicher wüthete der Hunger unter den
Aufrührern, und die Grausamkeit des Königs, der jeden Tag
mit Mordthaten bezeichnete. Seine Frau äußerte einst, sie
könne doch nicht glauben, daß Gott mit dem Elende gedient
sei, welches er über die unglückliche Stadt bringe. Dafür
enthauptete er sie mit eigner Hand auf dem Markte und
tanzte mit dem Volke um den blutigen Leichnam herum. Diese
schaudervollen Unruhen dauerten bis zum Juni 1535. Da
endlich erbarmten sich zwei Bürger der unglücklichen Stadt
und leiteten in einer stürmischen Nacht mehrere feindliche
Krieger durch den Graben auf den Watt. Diese hieben die
Wache nieder, rissen die Thore auf, und mit lautem Sie-
gesgeschrei strömten die hellen Schaaren der Bischöflichen in
die offene Stadt. Lange leisteten die verhungerten Wieder--
täufer verzweiflungsvolle Gegenwehr; endlich mußten sie sich
ergeben. Nothmann war im Kampfgewühle gefallen; der
König Johann aber, sein Minister Krechting und Knipper-
döllmg wurden in eiserne Käfige gesperrt, eine Zeitlang wie
wilde Thiere zur Schau herumgeführt und zuletzt auf dem
Markte mit glühenden Zangen gezwickt und zu Tode gemar-
tert. Ihre Leichname wurden in drei eisernen Käfigen hoch
am St. Lamberti-Thurme, der König in der Mitte und etwas
höher, aufgehängt.