1854 -
Münster
: Aschendorff
- Autor: ,
- Hrsg.: ,
- Sammlung: Realienbuecher vor 1871
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Schultypen (WdK): Elementarschule
- Schultypen Allgemein (WdK): Niedere Lehranstalten
- Konfession (WdK): Römisch-Katholisch
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Finnland versprach, in sein Interesse. Als Napoleon die krie-
gerischen Vorkehrungen des russischen Kaisers vernahm, rief
er voll Zuversicht aus: „Rußland wird von seinem Verhäng-
nisse ergriffen; wohlan, es soll erfüllt werden!" und ließ von
den Pyrenäen bis an die Küsten der Ostsee, von dem Niemen
bis an das adriatische Meer das ganze Jahr 1811 hindurch
unausgesetzt rüsten; selbst Oesterreich und Preußen mußten Trup-
pen stellen._ Vom Frühjahr bis zum Herbst war Alles in Be-
wegung ; nie sah Europa größere und schönere Heere vorüber-
ziehen; der Zug glich einer Völkerwanderung. Ueber 500,000
Mann Franzosen, Oefterreicher. Preußen, Sachsen, Baiern,
Würtembergcr, Badener, Westfalen, Holländer, Italiener,
Polen, selbst Spanier und Portugiesen, mit Allem reichlich
versehen, traten den Zug an und rückten am 25. Juni über
den Grenzfluß Niemen. Der Untergang Rußlands schien um
so gewisser und näher, da cs grade mit den Türken in einen
Krieg verwickelt war. Aber unter Englands Vermittelung
schloß Alerander mit den Türken einen Frieden, in welchem der
Pruth die Grenze seines Reiches wurde, und wendete nun seine
ganze Macht gegen den neuen Feind, mit der feierlichen Be-
theuerung, den Krieg nicht zu enden, so lange ein feindlicher
Streiter auf Rußlands Boden stehe. Napoleon hatte eine Ab-
theilung seines Heeres unter Oudinot und Macdonald auf die
Straße nach Petersburg gegen den russischen Fürsten Wittgen-
stein geschickt; mit der Hauptmacht ging er selbst gerade auf
Moskau los. Die russischen Anführer Barclay de Tolly und
Bagration zogen sich kämpfend vor ihm zurück. Nach zweitä-
gigem mörderischen Kampfe bei Smolensk, am 17. und 18. Au-
gust, erstürmten die Franzosen diese Stadt, nachdem sie größ-
tentheils eine Brandstätte geworden war. Jetzt übernahm der
alte Kutusow, der eben siegreich aus dem Türkenkriege zurück-
gekehrt war, den Oberbefehl über das russische Heer. Auch er
zog sich zurück und brannte hinter sich die Städte und Dörfer
nieder, um dem Feinde nur eine Wüste zurückzulassen. An der
Moskwa, 15 Meilen von der alten Hauptstadt, machte er end-
lich Halt; die Ehre des Reichs schien eine Schlacht zu fordern
zu ihrer Rettung. Da rief Napoleon frohlockend: „Soldaten,
hier ist die Schlacht, die Ihr ersehnt habet. Sie ist nothwen-
dig; denn sie bringt uns Ueberfluß, gute Winterquartiere und
sichere Rückkehr nach Frankreich. Benehmet euch so, daß die
Nachwelt von jedem unter euch sagen kann: „Auch er war in der
großen Schlacht unter den Mauern Moskau's!" Zugleich ließ
er das Bildniß seines Sohnes an der Außenseite seines Zeltes
aufhängen, und Offiziere und Soldaten eilten begeistert herbei,
die Gestalt ihres künftigen Herrschers zu betrachten.