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1. Lesebuch für Ober-Klassen in katholischen Elementar-Schulen - S. 387

1854 - Münster : Aschendorff
387 Ein anderes Schauspiel bot sich im russischen Lager dar. Die griechische Geistlichkeit erschien in ihren priesterlichen Ge- wändern und zog in feierlicher Prozession durch das Lager. Die Bilder der gefeiertsten Heiligen wurden dem verehrenden Blicke der Truppen vorübergetragen. „Erde und Himmel", sprachen die Priester, „find durch die Fremdlinge verletzt und zur Rache aufgefordert, und der Tapfere in der Schlacht wird sich unfehlbar die Seligkeit erringen." Die Russen antworte- ten mit einem begeisterten Hurrah. Am 7. September wurde die große Schlacht an der Moskwa, bei dem Dorfe Borodino geliefert. An 25,000 Menschen auf jeder Seite bluteten an diesem Schreckenstage. Vom frühen Morgen bis in die Nacht wurde mit beispielloser Erbitterung gestritten. Ganze Regimenter russischer Bauern schlossen sich mit der Festigkeit alter Soldaten an, machten das Zeichen des heiligen Kreuzes und stürzten mit dem Rufe: „Gott sei uns gnädig!" in das dichteste Handgemenge. Endlich trat Kutusow den Rückzug an und wollte lieber Moskau preisgeben, als eine neue Schlacht liefern; Moskau sei ja nicht das Vaterland. Mit niedergeschlagenen Blicken, zusammengerollten Fahnen und ohne Trommelschlag zogen die russischen Truppen durch die stille Hauptstadt. Der größte Theil der noch übrigen Bevölkerung schloß sich mit dem Befehlshaber der Stadt, Grafen Rostopschin, dem düstern Zuge an. Am 14. September erblickten die Franzosen von der Höhe eines Berges die ehrwürdige Stadt, und der Freuderuf: „Mos- kau! Moskau!" durchlief die Reihen. Moskau erschien so glänzend und gebietend wie sonst. Die Thürme seiner drei- hundert Kirchen und deren goldene Kuppeln funkelten im Scheine der Sonne; seine zauberischen Paläste ruhten in Baum- pflanzungen und Gärren, und majestätisch stieg der Kreml, die Burg der Czaren, mitten aus diesem Walde von Gebäuden und Pflanzungen empor. „Da ist denn endlich die berühmte Stadt!" rief Napoleon voll Entzücken und setzte seine Heeres- massen in Bewegung. Am 15. September langte er vor den Thoren an; sie stan- den offen. Erstaunt harrte er mit seinen Marschällen, ob nicht die Behörden zu einem feierlichen Empfange, ob nicht eine schau- lustige Volksmenge herauskommen würde; Niemand erschien. Eine schauerliche Grabesstille lag über der ganzen ungeheuern Stadt. Endlich, nachdem er zwei Stunden gewartet hatte, zog er ein. Die Straßen waren öde, alle Thüren verrammt, alle Fenster durch Läden dicht geschlossen, alle Gewölbe und Buden gesperrt und verriegelt. Schon in der folgenden Nacht stiegen an mehreren Stellen der Stadt lichte Flammen auf. Alle Lösch- 25 *
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