1810 -
Berlin
: Realschulbuchh.
- Autor: Wilmsen, Friedrich Philipp
- Sammlung: Realienbuecher vor 1871
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Schultypen (WdK): Gymnasium, Höhere Bürgerschule
- Schultypen Allgemein (WdK): Höhere Lehranstalten, Mittlere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 2 – Sekundarstufe 1, Klassen 5/6/7 – 8/9/10
- Schulformen (OPAC): Gymnasium, Höhere Bürgerschule
- Inhalt Raum/Thema: Deutsche Literatur
- Geschlecht (WdK): Jungen
Erzählungen. 107
in meinem Gemüthe. Mein Vater wird mich nicht
mehr lieben, sondern mit Verachtung strafen, wie
ich verdient habe. — Da antwortete jener: Du
Thor, dein Vater weiß es ja nicht, und wird es
niemals erfahren. Du mußt es ihm sorgfältig ver-
hehlen, und auf deiner Hut seyn. — Als aber
Gotthold, — denn so hieß der Knabe — zu Haufe
kam, und das freundliche Antlitz seines Vaters sah,
da vermochte er nicht, wieder freundlich zu ihm hin-
aufzusehen. Denn er dachte, wie sollte ich ihn fröh-
lich ansehen können, den ich betrübt habe? Kann
ich doch mich selber nicht anblicken. Es liegt mir
wie ein dunkler Schatten in meinem Herzen. —
Jetzo trat der Vater herzu, und reichte jeglichem
seiner Kinder von den Früchten des Herbstes, und
Gotthold desgleichen. Da hüpften die Kindlein
herbei und freuten sich sehr, und aßen. Gotthold
aber verbarg sein Antlitz und weinete bitterlich. —
Da hub der Vater an und sprach : Mein Kind, was
weinest du?— Und Gotthold antwortete: Ach! ich
bin nicht werth, daß ich dein Sohn heiße. Ich kann
es nicht langer tragen, daß ich vor dir ein anderer
erscheine, als ich bin, und mich selbst erkenne. Lie-
der Vater, thue mir ferner nicht mehr Gutes, son-
dern strafe mich, damit ich wieder zu dir kommen
darf, und aufhöre mein eigner Quäler zu seyn.
Laß mich nur hart büßen für mein Vergehen! Denn
stehe, ich habe die jungen Bäumchen beraubt. —
Da reichte ihm der Vater die Hand, drückte ihn an
sein Herz, und sprach: Ich vergebe dir, mein Kind!
Gebe Gott, daß dieses das erste und letzte Mal sey,
daß du etwas zu verhehlen hast. Dann soll es mir
Nicht leid seyn um die Bäumchen.
20. C a r n s Klagen.
Alf Cain in dem Lande Nod wohnete jenseits
Eden gegen den Morgen, saß er eines Tages unter
einer Terebinthe, und hielt sein Haupt auf seine