1810 -
Berlin
: Realschulbuchh.
- Autor: Wilmsen, Friedrich Philipp
- Sammlung: Realienbuecher vor 1871
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Schultypen (WdK): Gymnasium, Höhere Bürgerschule
- Schultypen Allgemein (WdK): Höhere Lehranstalten, Mittlere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 2 – Sekundarstufe 1, Klassen 5/6/7 – 8/9/10
- Schulformen (OPAC): Gymnasium, Höhere Bürgerschule
- Inhalt Raum/Thema: Deutsche Literatur
- Geschlecht (WdK): Jungen
Erzählungen. 113
wandelten die beiden Könige unter dem duftenden
Schatten des hohen Waldes einher, und Hiram
freute sich der weisen Reden des Königs von
Israel. — Unten aber zu ihren Fußen lagen weit
umher die Länder und blühcten in Frieden. Denn
Salomo und Hiram hatten einen Bund gemacht und
waren Freunde; so waren auch ihre -Völker Freunde
unter einander. Und die Könige standen still und
schaueten in die Ferne. Da ging Hiram, dem Be-
herrscher von Tyrus, das Herz auf, und er sprach
zu Salomo: O wohl uns, daß wir Freunde sind!
Stehen wir nicht auch wie die Cedern auf unsern
Höhen, und unsere Völker um uns her? Da ant-
wortete Salomo und sprach: Wohl nennet man die
Ceder mit Recht den königlichen Baum. Er ist der
höchste von allen und seine Gestalt ist voll Majestät.
Er wächset auf der Höhe des Gebirges, aus den
Wolken trinkt er, und bedarf nicht des Baches, der
seinen Fuß netze. — Seine Wurzel umjusset die
Felsen der Erde, und er tauchet sein Haupt in dre
Blaue des Himmels. Jahrhunderte hat der Sturm
um diese Wipfel getobt, und der Donner um die
Stirn des ernsten Waldes gerollt. Aber er siehet
unerschüttert, frei wie ein Gott, und ohne die Be-
dürfnisse des niedern Thales. Darum heißet er auch
ein Baum Gottes, den Iehovah gepflanzt hat —
und stehet ein Bild den Gesalbten des Höchsten.
Eines nur fehlet ihm, sagte Hiram, — die duftende
Blüthe und die nährende, erquickende Frucht. Da
lächelte Salomo und sprach: Redest du im Scherz,
Hiram, oder als der Beherrscher des gewinnenden
Volkes? Duftet denn nicht die ganze Ceder? —
Und wozu der hochragenden Königin des Gebirges
die erquickliche Frucht? Trägt sie nicht den kühnen
Seefahrer durch die schäumende Woge? Wölbet sie
nicht die Pallaste der Fürsten? Und bald, Hiram,
wird sie auf Sion stehen, ein Tempel Jehovahs. —
Mein Freund, es giebt edlere Früchte, als welche
-er Gaumen verlangt.
H
Ii.