1810 -
Berlin
: Realschulbuchh.
- Autor: Wilmsen, Friedrich Philipp
- Sammlung: Realienbuecher vor 1871
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Schultypen (WdK): Gymnasium, Höhere Bürgerschule
- Schultypen Allgemein (WdK): Höhere Lehranstalten, Mittlere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 2 – Sekundarstufe 1, Klassen 5/6/7 – 8/9/10
- Schulformen (OPAC): Gymnasium, Höhere Bürgerschule
- Inhalt Raum/Thema: Deutsche Literatur
- Geschlecht (WdK): Jungen
irs Dritter Abschnitt.
giebt der Wohlthat ihren Werth , welche die Hand
reicht. — Dein Pflänzchen wird wohl gedeihen,
Emilie.
Nun kamen die Blätter aus dem Schooß der
Erde ganz hervor und glänzten mit lieblichem Grün.
Da ward Emiliens Freude noch größer. O, sagte
sie ans überströlnendem Herzen, ich will auch wohl
zufrieden seyn, wenn schon keine Blüthe käme!
Genügsame Seele! — sprach der Vater. Es ist
billig, Laß dir mehr gegeben werde, als du zu
hoffen wagest. Das ist der Lohn der bescheidnen
Genügsamkeit. — Er $eigte it)V den Keim der Blu-
me, der zwischen den Blättern verborgen lag. —
Emiliens Sorgfalt und Liebe wuchs mit jeg-
lichem Tage, so wie die Blume sich allmahlig ent-
faltete. Mit zarten Händen sprengte sie Wasser dar-
auf mnd fragte, ob es genug oder zu viel, und ob
es auch wohl zu kalt seyn möchte. — Und wenn
ein Sonnenblick durch die Fenster kam, dann trug
sie leise wandelnd die Pflanze hinüber in den Son-
nenschein, und ihr Odem hauchte den Staub von
den Blattern, so wie ein Morgenlüftchen die Rose
umhaucht. — O, des süßen Bundes der zartesten
Liebe und Unschuld! sagte die Mutter.
Mit dem Gedanken an ihre Blume schlief Emilie
am Abend ein und erwachte mit ihm des Morgens.
Mehrmals erblickte sie auch im Traum ihre Hya-
cinthe in voller Blüthe, und wenn sie dann am
Morgen noch nicht blühete und Emilie sich getauscht
sah, war sie deshalb unbekümmert, und sprach lä-
chelnd : Es kann ja noch werden ! — Zuweilen
auch fragte sie den Vater, -in welche Farbe die Blu-
me wohl sich kleiden würde. Und wenn sie alle
Farben durchgegangen war, sprach sie mit fröhlicher
Stimnre: Es ist mir einerlei, wenn sie nur blühet.—-