1810 -
Berlin
: Realschulbuchh.
- Autor: Wilmsen, Friedrich Philipp
- Sammlung: Realienbuecher vor 1871
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Schultypen (WdK): Gymnasium, Höhere Bürgerschule
- Schultypen Allgemein (WdK): Höhere Lehranstalten, Mittlere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 2 – Sekundarstufe 1, Klassen 5/6/7 – 8/9/10
- Schulformen (OPAC): Gymnasium, Höhere Bürgerschule
- Inhalt Raum/Thema: Deutsche Literatur
- Geschlecht (WdK): Jungen
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Vierter Abschnitt.
Vorzeit, deren dunkle Wipfel im seltsamen Farben-
Contraste Las Weiß und Grau der sie umlagernden
Gebäude beherrschen. — Rechts von dieser Anhöhe
verliert die Stadt etwas tiefer hinab sich in jene
berühmte Erdzunge, deren anmuthige Haine Geß-
ners Denkmahl umschatten, und in deren einfachen
Lustgängen Kunst und Natur im freundlichsten Ver-
eine die Reifenden aller Länder entzücken. — Längs
dem grünen Saume dieser Halbinsel fluthet die klare,
ruhige Limmat. Trüber und ungestümer rauscht
von der andern Seite, aus den Wildnissen des Sihl-
ivaldes, die Sihl daher. Im Schatten der breiten
Platanen, welche die äußerste Spitze dieses Natur-
gartens begränzen, mischen beide Flüsse ihre Ge-
wässer zusammen, und eilen, zu einem Strome ver-
einiget, in schlängelndem Laufe, zwischen den west-
wärts von Zürich, in reicher Fülle der mannichfal-
ligsten Produkte, ausgebreiteten Ebenen und Wein-
bergen hinunter. — Wir hatten kaum noch ober-
flächlich das große Gemählde betrachtet, als schon
von den Thürmen der Gothischen Kathedrale der
Glockenschlag acht Uhv ertönte. Ein Gewitter war
*eben vorübergezogen. Zwischen seinen noch am Him-
mel jvogenden Ueberresten hindurch senkte jetzt die
scheidende Sonne ihre Strahlen, mit erneuertem
Glanze, in das erfrischte Thal hinein, und schwebte,
als Herold des hergestellten Friedens der Schö-
pfung, auf wieder gereinigter Bahn, hinab gegen
den Grat der Gebirge. Unzählige Wassertropfen
flimmerten und glänzten in Regenbogenfarben von
den gebeugten Gräsern und Wiesenblumen, und dem
bebenden Laube der Fruchtbaume. — Bald warfen
die schlanken Tannen über uns längere Abendschat-
ten hinauf gegen den Gipfel des Berges, während
daß die muntern Waldvögel, nun nicht mehr ver-
scheucht durch den rollenden Donner und die Schlag-
regen des Gewitters, in dem ewigen Grün ihrer
Baumwelt umherflatterten, und der zur Ruhe eilen-
den Natur aus dunkeln Wipfeln noch ein kunstloses
Abendlied sangen. Einzelne Fischerkähne und Bar-
ten, die dem wirbelnden Srurmwind hatten weichen