1810 -
Berlin
: Realschulbuchh.
- Autor: Wilmsen, Friedrich Philipp
- Sammlung: Realienbuecher vor 1871
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Schultypen (WdK): Gymnasium, Höhere Bürgerschule
- Schultypen Allgemein (WdK): Höhere Lehranstalten, Mittlere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 2 – Sekundarstufe 1, Klassen 5/6/7 – 8/9/10
- Schulformen (OPAC): Gymnasium, Höhere Bürgerschule
- Inhalt Raum/Thema: Deutsche Literatur
- Geschlecht (WdK): Jungen
Charakterschilderung utrd Biographie.. 279
Wissenschaften und Künsten. Krito versahe^ihn mit
den Nothwendigkeiten des Lebens, und Svkrares
legte sich anfangs mit vielem Fleiße auf die Naknr-
levre. Er merkte aber gar bald, daß es Zeit sey,
dre Weisheit von Betrachtung der Natur auf die
Betrachtung des Menschen zurückzuführen. Sokra>
tes war der erste, wie Cicero sagt, der die Weisbeit
vom Himmel heruntergerufen, in die Städte ein-
gesetzt^, in die Wohnungen der Menschen geführet,
und über ihr Thun und Lassen Betrachtungen anzu-
ftellen genöthigt hat. — Damals stand in Griechen-
land, wie zu allen Zeiten bei dem Pöbel, die Art
von Gekehrten in großein Ansetzn, die sich bemühen,
eingewurzelte Vorurtheile und verjährten Aberglau-
den durch allerhand Scheingründe und Spitzfindig-
keiten zu begünstigen. Sie gaben frd> den Ehren-
namen Sophisten, den ihre Aufführung in einen
Ekelnamen verwandelte. Sie besorgten die Erzie-
hung der Jugend, und unterrichteten auf öffentlichen
Schulen sowohl, als in Privarhausern, in Künsten,
Wissenschaften, Sittenlehre und Religion, mit all-
gemeinem Veifalle. Sie wußten, daß in demokra-
tischen Regierungsverfassungm die Beredsamkeit
über alles geschätzt wird, daß ein freier Mann ger-
ne von Politik schwatzen hört, und daß die Wissens-
„ begierde schaaler Köpfe am liebsten durch Mahrchen
befriedigt seyn will: daher unterließen sie niemals,
in ihrem Vortrage gleißende Beredsamkeit, falsche
Politik und ungereimte Fabeln so künstlich durch
einander zu flechten, daß das Volk sie mit Ver-
wunderung anhörte und mit Verschwendung be-
lohnte. Mit der Prieslewchaft standen sie in gutem
Vernehmen; denn sie hatten beiderseits die weise
Maxime: leben und leben lassen. Ihre Haupt-
grundsätze waren: „Man kann alles beweisen und
alles wiederlegen," und: „Man muß von der
Thorheit anderer, und seiner eigenen Überlegenheit,
so viel Vortheil ziehen, als man nur kann." Da
sie liftlß genug waren, vas herrschende Religions-
fystem mit ihrem Interesse zu verwickeln: so gehörte
nicht nur Enrschloffenheit rmd Heldenmuth dazn,