1855 -
Hamburg
: Kittler
- Autor: Kröger, Johann Christoph
- Sammlung: Realienbuecher vor 1871
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Inhalt Raum/Thema: Geographie, Region?
- Inhalt: Zeit: Geographie
reit, wurden gewaltsam geschieden. Die fossilen Reste von Muscheln und Zoo-
phyten bezeugen ihren ursprünglichen Zusammenhang. Wir erkennen in den
schaffenden, tief im Innern der Erde waltenden Kräften einer mit dem Abstande
von der Oberflache zunehmenden Temperatur das, was seine obere Rinde hebt, er-
schüttert und aufbricht, was durch Druck elastischer Dampfe den geöffneten Spalten
als glühender Erdstrom (Lava) entquillt, mannigfaltige Erzeugungen von Mine-
ralien und Gebirgsarten veranlaßt. Aber nicht die unorganische Natur allein ist
unter dem Einflüsse dieser Reaction des Innern gegen das Aeußere geblieben. Es
ist sehr wahrscheinlich, daß in der Urwelt mächtigere Ausströmungen von kohlen-
saurem Gas, dem Lustkreise beigemengt, den Kohle abscheidenden Prozeß des
Pflanzenlebens erhöheten, und daß so in waldzerstörender Revolution ein uner-
schöpfliches Material von Brennstoff (Ligniten und Steinkohlen) in den oberen
Erdschichten vergraben wurde. Die Verkettung aller dieser Erscheinungen ergrün-
det zu haben, ist ein nicht geringer Fortschritt der neueren Geognosie, des minera-
lischen Theiles der Physik der Erde.
Erdbeben, Erderschütterungen zeichnen sich aus durch schnell aus einander fol-
gende senkrechte oder horizontale oder rotatorische (kreisende) Schwingungen. Die
minenartige Erplosion (senkrechte Wirkung von unten nach oben) hat sich am auf-
fallendsten bei dem Umstürze der Stadt Riobamba (in der Nähe des Chimborasso,
1797) gezeigt, wo> viele Leichname der Einwohner auf den mehrere hundert Fuß
hohen Hügel in Cullia, jenseits des Flüßchens von Lican, geschleudert wurden. Die
Fortpflanzung geschieht meist in linearer Richtung wellenförmig, mit einer Ge-
schwindigkeit von 5—7 geographischen Meilen in einer Minute; theils in Erder-
schütterungskreisen oder großen Ellipsen, in denen wie aus einem Centrum die
Schwingungen sich mit abnehmender Starke gegen den Umfang fortpflanzen. Die
Größe der fortgepflanzten Erschütterungswellen wird an der Oberfläche der Erde
nach dem allgemeinen Gesetze der Mechanik vermehrt, nach welchem bei der Mit-
theilung der Bewegung in elastischen Körpern die letzte, auf der einen Seite frei
liegende Schicht sich zu trennen strebt.
Die Erschütterungs-Wellen werden durch Pendel und Sismometer-Becken
ziemlich genau in ihrer Richtung und totalen Stärke, keineswegs aber in der in-
neren Natur ihrer Alteranz und periodischen Jntumescenz untersucht. In der
Stadt Quito, die am Fuße eines noch thätigen Vulkans (des Rucu-Pichincha)
8450 Fuß über der Meeresfläche liegt und schöne Kuppeln, hohe Kirchengewölbe
aufzuweisen hat, bin ich oft über die Heftigkeit nächtlicher Erdstöße in Verwun-
derung gerathen, welche so selten Risse in den Gemäuern verursachen, während in
den peruanischen Ebenen viel schwächer scheinende Oscillationen niedrigen Rohr-
häusern schaden. Eingeborene, die viele hundert Erdbeben erlebt haben, glauben,
daß der Unterschied weniger in der Länge und Kürze der Wellen, in der Langsamkeit
oder Schnelligkeit der horizontalen Schwingung, als in der Gleichmäßigkeit der
Bewegung in entgegengesetzter Richtung liegt. Die kreisenden (rotatorischen) Er-
schütterungen sind die seltensten, aber am meisten gefahrbringend. Umwenden von
Gebäuden ohne Umsturz, Krümmung von vorher parallelen Baumpflanzungen, Ver-
drehung von Aeckern, die mit verschiedenen Getreidearten bedeckt waren, sind bei
dem großen Erdbeben von Riobamba (4. Februar 1797) in der Provinz Quito,
wie bei dem von Calabrien (5. Februar — 28. März 1783) beobachtet worden.
Mit dem letzten Phänomene des Verdrehens oder Verschiebens der Aecker und Cul-
turstücke, von welchen gleichsam eins den Platz des andern angenommen, hängt eine
translatorische Bewegung oder Durchdringung einzelner Erdschichten zusammen.
Als ich den Plan der zerstörten Stadt Riobamba aufnahm, zeigte man mir eine
Stelle, wo das ganze Hausgeräth einer Wohnung unter den Ruinen einer andern
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