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1. Für die dritte Bildungsstufe - S. 248

1855 - Hamburg : Kittler
248 das Wesen, dem ich mein Leben weihen will voll von Unschuld und Reinheit, das ich mir denke als Schöpfer und Erhalter, das ich verehre als Richter und Begnadi- ger, das ich liebe als Vater und Wohlthäter, das ich anbete als heilig und gütig und weise und alles vermögend. Und wie heiter ist meine Seele, wenn mein stilles Gebet mich naher bringt dem großen Geiste und inniger mich verbindet mit dem Urquelle aller Vollkommen- heit; wenn es mich anschauen laßt den Glanz der Heiligkeit Gottes; wenn es mir fromme Pflichten auflegt für die kommenden Stunden und mich aussöhnt mit den Schwachen der Menschheit. Und wenn auch kein Gott wäre, der mich hörte; so forderte doch dieses hohe Gefühl das Dasein des Erhabenen, zu dem sich alles neigt, was höher strebt und den Sinn für das Heilige und Große nährt. Lieber Abbas, laß auch keinen Gott sein: so empfinde ich doch die beseligende Wirkung des Gedankens und des Glaubens an eine Gottheit, und das unaussprech- lich erhabene Bild des vollkommensten Wesens wohnt in mir, und ich höre dessen Stimme im Innern, die sich mit der Stimme meines Herzens vereint. Und es offen- bart sich die Erhörung meines Gebets durch die Wirkung in mir: denn es erhöht sich meine Kraft zum Vollbringen des Guten; es befestigt sich der Entschluß zum Wandeln auf heiligem Pfade; es stärkt sich das Vertrauen, wie die Ananas vom Himmelsthaue; es entfaltet sich die Liebe, wie die Balsamblüthe am Sonnenstrahle; es reinigt sich der Sinn, wie das Silber in des Ofens Gluth; es erhebt sich das Gefühl höherer Ahnungen, wie der Adler, der zur Sonne auffliegt; es verschönert sich vor mir das Leben und die Natur! Siehe, so höre ich Gott, so erhört er mein Gebet — magst du auch läugnen, daß in dem Weltall die Gottheit lebe und wirke! Jetzt sprach Hali zu Omar: Ist doch die Rede so lieblich, wie der Gesang zu den Harfen an den Wafferbächen, wenn überhangende Bäume die Lust kühlen und Hyacinthen ihre Wohlgerüche nebelt den Sängern aushauchen. Ist die Rede von Gott doch so feierlich und erhaben, wie ein rauschendes Meer, indessen tausend Wogen sich der Strahl der ausgehenden Sonne bricht! Da sprach Omar: Der Donner, der von den Gebirgen zurückhallt, und der reizende Ton der Nachtigall sind Stimmen Gottes für den Menschen; aber die feier- lichste Stimme Gottes ist die Sprache des Menschen, wenn er in hoher Atidacht von dem Allliebenden spricht. Sie hallt von Herzen zu Herzen wieder. — Doch in Abbas Herzen hallte sie nicht wieder. Er sprach zu Eben-Assar: Wozu führen doch deine Schwärmereien! Der Rauch, der am Morgen von der Hütte aufsteigt, wird auch vergoldet vom Sonnenstrahle. Verbirgt eine Wolke die Sonne, so ist er nichts als grauer Qualm. Und was ist deine Entzückung, wenn die Wahrheit wegfällt, daß ein Gott sei? Sie ist nichts als der graue Nebel des Rauches, der die Vergol- dung des Sonnenstrahls verlor. Was nützt dir der Gott im Innern, wenn keiner im Weltalte ist? Gleicht er nicht der Tulpe, die das Beet nur ziert, nicht die Lust mit Wohlgerüchen durchwebt? Eben-Assar antwortete: Sei auch kein Gott in dem Weltalle, so ist doch das Gefühl der Gottheit in dem Menschen das höchste Kleinod, mit dem die Natur ihn beschenkte! Ist nicht die edle Frucht milder und süßer als die wilde? Wächst auch atlf unbebautem Boden das schwere Korn des verbesserten Landes? Rühmest du nicht die Süße der Feige, die der Gärtner mit Sorgfalt zog? Und wie ? ein ver- edeltes Herz, ist es etwas so Geringes, daß du sein nicht achtest? Es ist mehr werth als der Diamant in der Krone, als die Perle in dem Schmucke des Halses. Siehe, du veredelst dein Herz, wenn sich dein Geist beschäftigt mit dem Wesen,
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