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1. Für die dritte Bildungsstufe - S. 302

1855 - Hamburg : Kittler
302 Die Idee, daß des römischen Reiches Majestät auf deutsche Kaiser übergegangen sei, unser 8. Imperium Uomano-xermanwum imponirte noch im Mittelalter, und mit Recht: K. Friedrich der Erste zog noch aus den Domainen und andern Quellen an die 60 Tonnen Goldes, späterhin aber hatte die K. K. Majestät nichts mehr als eine unbedeutende Civil-Liste von 13884 fl. 32 kr. Die tiefste Erniedrigung bereitete uns ein Eorse! Unser Land senkt sich mit der einen Hälfte seiner Oberfläche gegen das deutsche Meer, die Nordsee, mit der andern nach der Ostsee und dem schwarzen Meere, vier ganz südliche Spitzen senken sich zur Adria. An allen unsern Küsten haben wir noch keine Kriegshäfen; es scheint, als sollen wir keine Seekriege führen, da wir immer so viel auf dem Festlande zu kriegen haben. Unsere drei Meere abgerechnet, haben wir keine Naturgrenzen, und wo könnte auch die Natur der Unnatur der Kriegskunst Grenzen setzen. Wir haben eigentlich so wenig Grenzen, als Polen hatte, was letzteres so gut zum gewissen Untergange führte, als sein Mangel an Einheit, an Bergen und Strömen, und sein Ueberstuß an Adel, Juden und Wöl- fen. Langwierige Kriege gab es um des sogenannten Gleichgewichts willen, und eben so lange Kriege hat vielleicht die kommende Zeit um Völkerschei- dungen und Naturgrenzen, und es werden heilige Kriege sein. Schwerlich giebt es ein Land, das durch so viele Schwerdtkreuze oder Schlachtfelder ausgezeichnet wäre, als Deutschland. Wer erinnerte sich nicht des Ausspruches Pitt's: „Canada muß am Rhein erobert werden!" Gott gebe, daß die Sache der Spanier oder Griechen, der Türken und Russen, die Freiheit Süd-Amerika's oder Ostindiens rc. nicht gleichfalls am Rhein oder an der Donau entschieden werde! Das Vaterland hat keine Naturgrenzen, Flüsse sind es nicht, denn sie vereinen vielmehr durch Schifffahrt, Handel, Fischerei rc., und nur Gebirjge trennen, weil sie den Verkehr erschweren. An beiden Ufern des Rheins, der Donau und des Po herrscht nur Eine Sprache, aber jenseits der Alpen hört das Deutsche auf, wie jenseits des Jura und der Vogesen. Aber ist Deutschland denn ein Garten, wel- chen Wand oder Zaun vom Nachbar scheiden müssen? Nur die gewaltigste Natur- grenze vermag zu schützen gegen die begehrlichen Nachbarn, wenn die Bewohner nicht selbst die Schutzmauer bilden. Den Boden Deutschlands bildet im Süden Alpenland, in der Mitte Hügelland und im Norden Flachland, welche sich zu einander verhalten wie Ode, Idylle, Prosa. In der erhabenen Alpenwelt, der anziehendsten Naturerscheinung, Millio- nen Deutschen unbekannt, ist alles ganz anders als im Flachlande: Lust und Erde, Pflanzen, Thiere und Menschen, Sprachen, Sitten und Gebräuche. Mitten in dieser hohen, wilden Alpenwelt, wo man in wenig Stunden jede Temperatur von Neapel bis Spitzbergen haben kann, und Laub-, Nadel-, Krummholz, Moose, Schnee, Eis und Gletscher, — finden sich Kunststraßen, wie man solche im flachen Lande vergebens sucht. Diese Alpen sind das Reich der Mineralien, die Vorraths- kammern der Gewässer, und nie schmelzt die Sonne diese Eis- und Schneemassen. Sie wachsen und donnern zuweilen herab, bedecken Wiesen, Wälder, Hütten und ganze Thäler, und dämmen die Bäche zu Seen. Nebel ziehen an den Gipfeln um- her und fallen als kalter Regen ins Thal, Gegenden, grün und reizend, verwan- deln sich plötzlich in Schneegefilde; entzückend aber ist der Purpurglanz der Alpen- gipfel, wenn die Sonne hinabsinkt und Nacht die Thäler deckt! Unsere Alpen haben Höhlen, Seen, Wasserfalle, Gletscher wie die Schweiz, und dann noch Flüsse und Meere, Bergbau und die unterirdischen Wunder, Vereins-Städte mit ihren Kunst und Naturalien-Sammlungen und Anstalten, die man in der Schweiz ver- gebens sucht. Hier ist weit mehr — schon der Größe nach ein doppeltes Helvetien — und wir rennen immer nur nach der theuern Schweiz?
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