1855 -
Hamburg
: Kittler
- Autor: Kröger, Johann Christoph
- Sammlung: Realienbuecher vor 1871
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Inhalt Raum/Thema: Geographie, Region?
- Inhalt: Zeit: Geographie
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reit, überwand und bekehrte zuerst die in Arabien wohnenden Juden und eroberte
fieben Jahre nach seiner Flucht auch Mekka, wo er nun als Prophet und zugleich
als weltlicher Herrscher anerkannt wurde. Von hieraus begann er dann die umwoh-
nenden Völker auf gleiche Weise zu bekehren, und nach seinem Tode setzten seine
Nachfolger diese Eroberungen fort, so daß sie oft der Schrecken selbst entfernter
Völker wurden.
Die Flucht Muhammeds fiel auf den 16. Juli 622, und von diesem Tage an
beginnen die Muhammedaner ihre Zeitrechnung, H edschra (Hegira, d. i. Flucht)
genannt. — Seine Lehre, ein Gemisch von mosaischen, christlichen und heidnischen
Vorstellungen und Lehren, besteht der Hauptsache nach aus Folgendem: Es ist ein
einiger Gott, und Muhammed sein Prophet, der göttliche Offenbarungen durch den
Engel Gabriel erhalten und das Gesetz Mosis und Jesu vollendet hat. Tägliche
Gebete, das Gesicht nach Mekka und nicht, wie bisher, nach Jerusalem gerichtet, ein
dreißigtägiges Fasten im Monat Ramadan, Verwendung von wenigstens einem
Zehntheil des Vermögens auf Almosen, so wie bestimmte Reinigungen, sind heilige
Pflicht der Gläubigen. Am Ende der Welt ist eine Auferstehung und ein letztes
Gericht. Dem Frommen öffnet sich das Paradies. Haine, Flüsse, Quellen, Dia-
manten, Perlen und Marmorpaläste erfreuen Auge und Herz; kostbare Speisen in
goldenen Schüsseln und Wein in herrücken Pokalen vergnügen den Gaumen; herr-
liche Wohlgerüche duften überall entgegen; zweiundflebenzig schwarzäugige Jung-
frauen von glänzender Gestalt in ewiger Jugend beglücken ihn mit unendlicher Wonne,
und 70000 Sklaven sind seines Winkes gewärtig; die Heiligen und Märtyrer dage-
gen finden ihre größte Seligkeit im Anschauen Gottes. Den Missethäter und Abtrün-
nigen quält die Hölle mit unsäglichen Leiden, welche beim Weltgerichte nach dem
Grade seiner Sündhaftigkeit oder seines Unglaubens abgemessen werden; doch kann
der Glaube an den Propheten und seine Fürbitte auch den größten Sünder von
ewiger Verdammniß retten.
Kurz vor seinem Tode sprach Muhammed zum versammelten Volke: Hat
Jemand zu klagen über Mißhandlung und Härte von meiner Seite,
— hier bin ich, vergeltet an mir ohne Furcht, was ich an Euch ge-
than. Ist Einer, dessen Ehre ich gekränkt, er lasse mir ein Glei-
ches widerfahren. Als hierauf Einer aus dem Volke laut erklärte, daß er
ihm drei Silberdrachmen schuldig sei, zahlte er sie ihm augenblicklich aus und dankte
ihm, daß er ihn lieber vor der Welt, als vor dem Richterstuhle Gottes angeklagt
habe. Seine letzten Worte waren: Herr! laß mir Barmherzigkeit wider-
fahrenundführemichzudenen,welchedu erhöhethastin Gnaden
dort oben.
Die Arab er (d. h. Abendländer, so genannt, weil sie von Asien auö nach
Abend, oder Sarazenen, d. h. Morgenländer, weil sie von Europa und Afrika
aus nach Morgen wohnen, oder Mauren, von der alten Provinz Mauritanien im
westlichen Afrika, von wo aus sie späterhin Spanien eroberten) leiten ihren Ur-
sprung von Jsmael und, durch diesen, von Abraham ab. Ihr Nationaltempel,
die Kaaba, war und ist noch jetzt Gegenstand der größten Verehrung, und jeder
Gläubige soll wenigstens Einmal in seinem Leben dahin wallfahrten. Muhammeds
Lehre heißt Islam, d. h. Hingebung an Gott; das Religionsbuch, in welchem sie
enthalten ist, der Koran, der nach und nach in einzelnen Blättern dem Propheten
vom Himmel herab mitgetheilt sein soll. Die Bekenner des Islam heißen Mosle-
mim (Muselmänner), die Priester Imam's, die Mönche Derwische. Bald
trennten sich die Moslemim in zwei Hauptparteien: die Sunniten, welche die
Sunna, eine Tradition, außer und neben dem Koran als Religionsbuch anerkennen,
und Schiiten, welche sie verwerfen.
Kröger. Iii.
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