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1. Für die dritte Bildungsstufe - S. 477

1855 - Hamburg : Kittler
477 schön hat Pater Martinus vor dem Kaiser und Ständen deutsch und lateinisch ge- redet! er ist genug oder zu viel herzhast gewesen," und hieß dann Spalatin wieder zu Luther'n zurückkehren. — Der Kaiser schickte gleich folgenden Tages einen Zet- tel in den Reichsrath, des Inhalts, weil Luther nicht widerrufen wolle, so wolle er nach demerempel seiner Vorfahren den alten Glauben schützen, dem römischen Stuhl Hülfe leisten, Lutherum nebst seinen Anhängern in Bann und Acht thun, und in andere Wege verfolgen und vertilgen, doch aber das freie Geleite halten. Aber er hatte hierbei nicht die üblichen Formen beobachtet, wonach zuvor das Gutachten der Fürsten einzuholen nöthig war, so daß hierdurch nur längere Berathungen ent- standen. Auch willigte der Kaiser selbst auf Zureden einiger Stände, das sichere Geleit für Luther noch um einige Tage zu verlängern, damit man weitere Ver- handlungen mit ihm versuchen könnte. Zur Sprache kam während dieser Frist nun auch die Frage, ob man wirklich verpflichtet sei, Luther'n das Geleit zu halten, oder ob man nicht mit ihm, wie mit Huß in Constanz, verfahren sollte. Ganz entschie- den ist aber nicht, ob dies in der Versammlung der Reichsstände oder nur in Privat- gesprächen verhandelt worden. So befremdend und betrübend es ist, daß auch nur der geringste Zweifel hierüber sich aussprechen durfte, und daß der Rath eines sol- chen Treubruchs unter deutschen Fürsten Vertheidiger finden konnte, so ist dabei doch erfreulich, daß sich die edlere Gesinnung Anderer bei dieser Gelegenheit kräftig aus- sprach. Der treffliche Churfürst am Rhein, Pfalzgraf Ludwig, sagte, es sei noch zur Zeit unvergessen, daß man dem Johann Huß nicht Wort gehalten, darum dieselben, so darein gewilligt, Hernachmals eben wenig Sieg und Glück bekommen hätten. Die- ser Fürst soll sich nach Luthers eigner Erzählung im Streite mit dem Churfürsten von Brandenburg, der anderer Meinung war, so erhitzt haben, daß beide zu den Messern griffen. Der Luther'n persönlich abgeneigte Herzog Georg von Sachsen er- klärte frei, die deutschen Fürsten würden diese Schande, daß man das Geleite sollte brechen, zumal auf dem ersten Reichstage des Kaisers, nimmermehr zulassen; es komme solches mit der alten deutschen Redlichkeit nicht überein; was man verspro- chen, müsse man auch halten! — welches schön und fürstlich geredet und billig auch an dem sonst heftigen Feinde zu loben ist. Und Kaiser Karl selbst soll erklärt ha- den, wenn Treu und Glauben nirgend mehr gelitten würden, so sollten sie doch an fürstlichen Höfen ihre Zuflucht finden. Karl soll in späteren Zeiten im Kloster es als ein Unrecht angesehen und bereut haben, daß er einem Ketzer, der einen Größern beleidigt hätte, als ihn, nämlich Gott selbst, das Geleit hielt. Wenn in den dum- pfen Mauern des trübsinnigen Klosters sich solche Vorstellungen in seiner Seele festsetzen konnten, so ist dagegen erfreulich, daß die Kaiserkrone auf seinem Haupte ihn vor solchem bigotten Wahnsinne schützte, und eine freiere, edlere Gesinnung, ob- wohl von ihm selbst nachmals verdammt, ihm ein Verbrechen ersparte. Die Luther'n noch zugegebene Frist von einigen Tagen verstrich unter frucht- losen Verhandlungen zu gütlicher Beilegung der Sache. Der Churfürst von Trier, der Luthern freundlich begegnete, nahm sich der Sache besonders an, und er, Mark- graf Joachim von Brandenburg, Herzog Georg von Sachsen, diebischöfe von Bran- denburg und Augsburg beriefen Luther auf den 24. April vor sich, nicht zu einer Disputation, sondern um ihn, wie der das Wort führende badische Kanzler Vehus sich ausdrückte, aus christlicher Liebe und Gnade gnädiglich und brüderlich zu er- mahnen. Er machte ihn besonders auch aufdie Gefahren aufmerksam, die aus seinen Lehren der bürgerlichen Ruhe und Ordnung droheten, und den Mißbrauch, den das Volk aus Mißverstand, z. B. von der Lehre von der christlichen Freiheit, treiben wurde, vertheidigte auch die Concilien und behauptete ihre Uebereinstimmung unter sich. Luther erklärte sich zu Allem bereit, was man von ihm verlange, nur daß er nicht gezwungen würde, Gottes Wort zu verleugnen. Darauf stellte der badische
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