1855 -
Hamburg
: Kittler
- Autor: Kröger, Johann Christoph
- Sammlung: Realienbuecher vor 1871
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Inhalt Raum/Thema: Geographie, Region?
- Inhalt: Zeit: Geographie
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Kaiser so abhängig gewesen) und die Mittel gab die landständischen Rechte ihrer
Unterthanen völlig aufzulösen. Diese Lockspeise einer Schein-Souveränetät für die
Kleinkönige vermehrte die Trennung in Deutschland und hinderte 1814 und 15 dieher-
stellung eines deutschen Reiches, jetzt waren die Rheinbündler sogar verpflichtet zum
Kampfe gegen ihre deutschen Brüder. Da legte Franz die entwürdigte deutsche
Kaiserkrone nieder und erklärte sich den 6. Aug. 1806 zum Erbkaiser der österreichischen
Monarchie. Nun dekretirte Napoleon, „das K. Haus Neapel hat zu regieren aus-
gehört, weil es Engländer und Russen aufgenommen," machte seinen Bruder Joseph
zum König, Niemand widerstand, nur der deutsche Prinz von Hessen-Philippsthal ver-
theidigte Gaeta tapfer bis zum 18. Juli. Holland mußte den zweiten Bruder Napo-
leons Ludwig zum König nehmen, und die Republik Ragusa wurde ebenfalls ohne
Umstände verschlungen. Im Venetianischen und in italischen Ländern wurden
Herzogtümer errichtet und von Napoleon seinen Feldherren und Günstlingengeschenkt,
so daß sie dann Fürsten, Herzöge, Prinzen hießen, und reiche Einkünfte, aber keine
Gewalt erhielten, andere Staatsgüter dienten zur Belohnung französischer K rieger.
Wie Napoleons ganzes Regierungssystem auf Egoismus beruhete, so suchte er auch
durch Titel und Reichthümer seine Generäle und Staatsbeamten an sich zit ziehen:
sie solleit in seinen Bestehen ihr Bestehen, in seiner Macht ihre Macht finden. Sie
wurden Herzöge, Fürsten mit 3—400000 Fr. Einkünfte, erhielten mehrere Millio-
nen baar; alles aus eroberten Ländern. Und wunderbar ließen sich die Freihcits-
männer knechten! „Ich bin nur, erklärte Ney, ein Atom vor diesem großen Manne,
ein geladenes Gewehr, der Kaiser befiehlt und der Schuß fällt." Davouft sagte: „Ich
bin sein Zetd (Sklave Muhameds). Daru bemerkte einem Meklenburgischen Staats-
manne: Der Wille des Kaisers muß geschehen. Sehen Sie den Baum; wenn der Kaiser
befiehlt, so hangen Sie in einer Minute re. Alles in schneidender Verhöhnung der Frei-
heits-Grundsätze! Mit dem republikanischen Kalender verschwand jetzt auch der Name
Republik und die republikanischen Feste; dafür erhielt Frankreich einen neuen Kalen-
der-Heiligen unter päpstlicher Autorität, den Tag des h. Napoleon den l5.'Aug.; das
kriechende Volk schrie Hosianna, die Geistlichkeit brach ihn rühmend, in halbe Gottes-
lästerung aus („Gott schuf Napoleon und ruhete aus; er ist die Vorsehung Frank-
reichs rc." War da noch ein Funke von Freiheitsgefühl?): dafür nahm Napoleon noch
den letzten Nest der Volksrechte, lósete das Tribunal aus, welches ihm für seine Ver-
nichtung — dankte. Mußten diese Erbärmlichkeiten nicht seine Menschenverachtung
fördern? Ein neuer Katechismus (1806) stellte die Pflichten gegen den Kaiser neben die
Pflichten gegen Gott, dessen Ebenbild jener hieß; die militärisch eingerichtete und auch
von deutschen Schriftstellern viel gerühmte kaiserl. Universität, wie das ganze Sy-
stem des Unterrichts, war in seinem sklavischen Geist und sklavischen Formen „ein
künstlich ersonnener Erziehungsplan für Knechte"; alles Wissen wurde in ein mecha-
nisches Nachbilden verwandelt. — Das Jahr 1806 schien geeignet Friedrichs des
Großen Plan auszuführen: den Fürstenbund an die Stelle des Reichstages zu setzen.
Deutschland durch Preußen neu zu constituiren, ohne auf dessen Vergrößerung auf
Kosten der übrigen Fürsten zu denken. Napoleon schien sogar einen nördlich deutschen
Bund unter Preußen zu fördern, trug ihm selbst die Kaiserkrone an. Wirklich war es
eine politische Nothwendigkeit, dem Rheinbünde, diesem schwarzen Flecke in der neuern
deutschen Geschichte, einen nördlich deutschen Bund entgegenzustellen, der wenigstens
Nord-Deutschland von den Jahren der Schmach 1806—1813 gerettet hätte; aber
Hessen, Hannover, Sachsen, die Hansestädte k. bedachten nicht, daß sie mit Preußen
stehen und fallen würden!
. Auf die perfideste Weise wurde nun Preußen gereizt, daß der friedliebende und
in seiner Rechtlichkeit airch Treu und Glauben bei Andern voraussetzende König
endlich zum Schwerte greifen mußte, da der Rheinbund immer mehr deutsche Für-