1846 -
Leipzig
: Baumgärtner
- Hrsg.: ,, Reichenbach, Anton Benedict
- Sammlung: Realienbuecher vor 1871
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
in. Die Oberfläche der Erde.
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wärmeren Jahreszeiten erhalten, gebildet, so heißt fle Gletscher. Zuweilen liegen um
und zwischen letzteren oder noch tiefer mehr oder weniger ebene, gleichfalls von Schnee
und Eis gebildete Thäler, welche man dann Eisfelder nennt. Sie erheben sich all-
mälig. Außerdem haben wir noch die kleinen, vom Wasser zwischen Felsenwänden entstan-
denen engen Vertiefungen zu unterscheiden, welche, wenn sie unten scharf zusammenlaufen,
Felsenklüfte heißen, wenn sie beträchtlich lang und breit: Senkungen und wenn sie
tief sind und aus Erd-, Thon- oder Felsenwänden bestehende Seiten haben, Schluchten
genannt werden. Abgründe sind Vertiefungen, welche weniger Breite, als Tiefe haben,
Gründe dagegen die, von bedeutender Breite und mit ungleicher Steilheit der Ränder.
Alle diese hier entwickelten Begriffe werden dem Leser deutlicher werden, wenn wir
einzelne Gebirge oder Theile derselben näher betrachten. Wir wählen dazu die Pyrenäen
von den europäischen Gebirgen, sowie einzelne Theile aus den Schweizer Alpen und andern
europäischen Gebirgen, aus Asien aber das Himelaya-Gebirge.
37) Nächst den Alpen sind die Pyrenäen, jene majestätische Bergkette, welche eine
natürliche Grenze zwischen Frankreich und Spanien bildet, das merkwürdigste Gebirge von
Europa. Sie liegen ungefähr zwischen dem 16. —21. Grade der Länge und dem 42.—
43.ya Grade der Breite. Ihre Hauptrichtung geht vom mitelländischen Meere bis zum
biseayschen Busen, und so rollen also die Wogen des atlantischen Meeres von der Bay
von Biscaya gegen ihre nordwestlichen Abdachungen, die über 8 Meilen weit die Küste
ans eine höchst malerische Weise umsäumen, und von da aus nehmen die Hügelgruppen
eine südwestliche Richtung, im Durchmesser bis zu 25 Meilen zunehmend, und endigen,
nachdem sie das ganze Land über mehr als 50 Meilen durchstrichen, an den Ufern des
mittelländischen Meeres. Zahllose Gipfel von ungleicher Erhebung bieten uns die Pyrenäen
dar; hier und da tragen sie gleichsam auf ihren Schultern umfangsreiche Ebenen und
manche Gruppen schließen Seen von großem Umfange und vorzüglicher Schönheit ein.
In der Ferne zeigen sie einen Umriß von scharfen Ecken und Zacken, und dabei erscheinen
sie mit einer gleichförmigen bläulichen Farbe in verschiedenen dunkeln Nüancen, wodurch
sie dem Auge viel näher gerückt werden, als sie wirklich sind. Die Haupthöhen sind die
von Canigon, welche sich 8544 Fuß über den Seespiegel erhebt, der 9300 Fuß hohe Pic
du Midi, der Pic de los Reyes, der 7620 Fuß hoch ist, der Pic d'ossano von 11,700
Fuß Höhe und der Mont Perdu, welcher der höchste unter allen ist, denn seine Höhe soll
12,000 Fuß und noch darüber betragen. Wie in den Alpen, so sind auch hier die höch-
sten Punkte mit ewigem Schnee bedeckt, doch mangeln die zahlreichen und ungeheuren
Gletscher, wie man sie in der Schweiz findet. Aus der französischen Seite zeigen die An-
höhen in ihren vereinigten Umrissen eine gewissermaßen kreisförmige Anordnung, und zwar
so, daß die höchsten Gipfel die Spitze des Bogens bilden, während die kleineren zu beiden
Seiten allmälig an Höhe abnehmen, bis sie dem Auge entschwinden. Die Felsen in den
höheren Reihen sind im Allgemeinen Granit, Ur- und Flötzkalkstein, und letzterer enthält
eine große Menge von versteinerten Conchilien und anderen organischen Ueberreften;