1844 -
Darmstadt
: Ollweiler
- Hrsg.: Nister, Friedrich
- Sammlung: Realienbuecher vor 1871
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
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gern die Nebel an, welche sich dort in Tropfen niederschlagen und
so durch ihre Feuchtigkeit die Quellen mit Wasser vermehren.
Daher sind die meisten und höchsten Gebirge der Erde allezeit
quellenreich. Kleine Bächlein tröpfeln unaufhörlich vom Nebel und
Schnee an den Felsen nieder, und werden zum geringen Bach,
den, wie er abwärts fließt, links und rechts neue Quellen mit
ihren Beiträgen vergrößern. So kommt er als Waldstrom ans
dem Hochgebirge, und sammelt andere ihm zueilende Bäche, und
breitet sie aus, und wird zum majestätischen, dahin rauschenden
Fluß. Er scheidet Länder von Ländern, Völker von Völkern,
nimmt alle ihre Bäche und Flüsse aus, und stürzt seinen Wasser-
reichthum, nach vollbrachtem Lauf, ins Meer.
Das Meer bedeckt die niedrigsten Gegenden des Erdbodens.
Daher senken sich alle Bäche, Flüsse und Ströme dahin, und wo
unterweges eine größere Tiefe ihren Lauf hemmt, bildet sich ein
weiter See.
So wird das Meer, diese Mutter aller Gewässer, wieder
dankbar von ihren Kindern ernährt. Wahrscheinlich ist unser
ganzer Weltkörper anfänglich, und Jahrtausende lang überall vom
Meer bedeckt gewesen. Dieß war der große Augenblick, von dem
die heilige Schrift sagt: Und die Erde war wüste und leer, und
es war finster auf der Tiefe, und der Geist Gottes schwebte auf
dem Wasser. 1 Mos. 1, 2.
Noch bezeugen uns dies die Ueberreste des Weltmeers auf
den Gipfeln der höchsten Gebirge. Langsam stiegen diese aus
den Wellen hervor, je nachdem die Gewässer sich im Innern des
großen Erdballs versenkten, oder durch unterirdische Feuer der
Rücken großer Länder über die Oberfläche des Wassers hervorge-
drängt wurde. Das war, wo Gott sprach: Es werde eine Veste
zwischen den Wassern. 1 Mos. 1, 0.
Aber auch bis auf den heutigen Tag bedeckt immer noch das
Meer den größten Theil des Erdballs, also, daß die bewohnten
Welttheile nur als größere oder kleinere Stücke abgetrockneten
Landes, als einzelne Inseln daraus hervorragen, und der Erdball
noch immer ein ungeheurer Wasserball zu seyn scheint. Denn das
gesammte trockne Land beträgt gegenwärtig noch kaum einen
Flächenraum von dritthalb Millionen Meilen ins Gevierte, wäh-
rend das Wasser sieben Millionen Meilen einnimmt!
Allein diese außerordentlich große Wassermasse scheint noth-
wendig, theils um die Quellen der festen Länder und deren Flüsse
reichlich zu nähren, theils um die Luft zu verbessern für Gesund-
heit und Gedeihen aller lebendigen Geschöpfe. Denn unaufhörlich
steigen Millionen feiner Wassertheile als Dünste in die Höhe —
gleichsam ein Regen des Weltmeers gegen den Himmel, der ihn
als Landregen wieder auf unsere Felder niedergießt; unaufhörlich
verschlingt das Wasser die in der Luft befindlichen giftigen Dünste,
welche Menschen, Thieren und Pflanzen verderblich seyn würden.