1844 -
Darmstadt
: Ollweiler
- Hrsg.: Nister, Friedrich
- Sammlung: Realienbuecher vor 1871
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
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vielleicht vor nicht vielen Jahren, lebendige Kröten zum Winter-
schlaf hineinkriechen konnten, die man dang zuweilen noch lebendig
in solchen Steinmassen findet. Eigentliches, vollkommenes Urge-
birge entsteht zwar jetzt nicht mehr vor unsern Augen, wohl aber
gar häufig solche kieslichte Massen, die im Urgebirge mit ein
Hauptbestandtheil sind. Daher versteinert an manchen Orten Holz
z. B. das von Gerüstpfähleu, schon nach wenig Jahren, und
Oeffnungen in harten Feuersteinen schließen sich.
Das Urgebrige findet sich, wie schon gesagt, meist an den höch-
sten Punkten des Landes, und wenn man z. B. von Nürnberg
ausgeht, hat man erst ganz in der tiefen Ebene aufgeschwemmtes
Land, steigt man höher auf die nahen Berge, so hat man Flötzge-
birge, steigt man noch höher, so findet man (z. B. am Fichtelge-
birge) das Urgebirge. Dieses besteht nicht mehr ans solchen Kalk-
bergen oder Sandsteinen, sondern entweder aus jenem Thonschiefer,
wovon unsere Schiefertafeln gemacht, und hie und da unsere Dä-
cher gedeckt sind, oder aus einem Schiefer der oft weiß aussieht,
und wie Silber glänzt, weil er viel solche glänzende Blättchen in
sich hat, die man Glimmer oder Katzensilber nennt, oder aus einem
schwärzlich grünen Stein, oder aus Granit.
Das Flötzgebirge, das größtentheils aus Sandstein, Kalk und
Gyps besteht, hat gar häufig solche ebenflächige Lagen über einan-
der die man Schichten nennt, und die ihm das Ansehen geben,
das etwa eine Mauer hat, in der recht große breite Quaderplatten,
eine über die andere, gelegt sind. Es hat auch öfters mitten zwi-
schen den Schichten noch andere Lagen, die, wenn sie Kohlen oder
auch metallische Körper enthalten, durch andere z. B. dunkle Far-
den abstechen und fick so ansnehmen, als wenn man mitten hinein
unter solche einerlei gefärbte Quadersteine, eine Mauer anderer
Quadersteine legte, die eine andere Farbe haben, oder in ein
Buch, dessen Blätter weiß aussehen, ein anderes Blatt, das schwarz
oder roth wäre. Solche Lagen nennt der Bergmann Flötze
und überhaupt bedeutet flötzen oder flößen das Ansetzen durchs
Wasser, was offenbar jene Gebirge hervorgebracht hat.
Die Flötzgebirge bilden auch, zum Beispiel in unserm lieben
deutschen Vaterlande, gar schöne, ansehnliche Berge, die zwar nicht
so gar hoch sind wie die Urgebirge, aber oft steiler und jäher aus-
sehen. Die Gegenden, die am Fuße und in den Gegenden der
Flötzgebirge liegen, sind meist gar furchtbar, voll schöner Laub-
wälder, fruchtbarer Felder und Wiesen, und wo cs warm genug
dazu ist, sieht man an den Abhängen Obst-Pflanzen, Hopfen und
Weinberge. Oben auf den Höhen der Flötzgebirge ist es aber
freilich hie und da etwas kahl und unfruchtbar, wenn nicht etwa
Waldungen da angepflanzt sind. Denn das Kalkgebirge hat oben
auf seinen Gipfeln meistens gar kein Wasser, keine Quelle, keinen
Bach, noch weniger einen See. Da müssen dann die Leute sehr-
weit vom Berge heruntergehen, um Wasser für ihren Haushalt
und für ihr Vieh zu holen, oder müssen das Regenwasser in