1844 -
Darmstadt
: Ollweiler
- Hrsg.: Nister, Friedrich
- Sammlung: Realienbuecher vor 1871
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
189
Augenblick waren ganze lange Gassen voll Häusern mit^allem was
darin wohnte und lebte, zerschmettert und in einen Steinhaufen
zusammengestürzt oder entsetzlich beschädigt. Viele hundert Men-
schen wurden lebendig und todt unter diesen Trümmern begraben
oder schwer verwundet. Drei Schulhäuser gingen mit allen Kindern,
die darin waren, zu Grunde, Menschen und Thiere, welche in der
Nähe des Unglücks auf der Straße waren, wurden von der Ge-
walt des Pulvers in die Luft geschleudert und kamen in einem
kläglichen Zustande wieder aus die -Erde. Zum Unglück brach auch
noch eine Feuersbrunst aus, die bald an allen Orten wüthete, und
konnte fast- nicht gelöscht werden, weil viele Vorrathshäuser voll
Oel und Thran mit ergriffen wurden.- Achthundert der schönsten
Häuser stürzten ein oder mußten niedergerissen werden. Da sah
man auch, wie es am Abend leicht anders werden kann, als es
am frühen Morgen war, nicht nur mit einem schwachen Menschen,
sondern auch mit einer großen volkreichen Stadt. Der König von
Holland setzte sogleich ein nahmhaftes Geschenk auf jeden Menschen,
der noch lebendig gerettet werden konnte. Auch die Todten, die
aus dem Schutt hervorgegraben wurden, wurden auf das Rathhauö
gebracht, damit ste von den Ihrigen zu einem ehrlichen Begräbniß
konnten abgeholt werden. Viele Hülfe wurde geleistet. Obgleich
Krieg zwischen England und Holland war, so kamen doch von
London ganze Schiffe voll Hülfsmitteln und große Geldsummen für
die Unglücklichen, und das ist' schön — denn der Krieg soll nie
in's Herz der Menschen kommen. Es ist schlimm genug, wenn er
außen vor allen Thoren und vor allen Seehäfen donnert.
211. Der unterirdische Wald.
Im Jahr 1808 wurde in England in Folge einer starken
Ebbe und Fluth einer der Dämme der Themse durchbrochen. Die
Gewalt des Wassers war so groß, daß es einen Kanal auswühltc,
der 300 Fuß breit und 20 tief war. Diese Ueberschwemmung, die
seit undenklichen Zeiten nicht ihres Gleichen gehabt hatte, setzte
alle Bewohner des Landes in Erstaunen; aber eine noch größere
Überraschung war ihnen aufbehalten; denn als das Wasser wieder
abgeflossen war, erblickten sie in dem neuen Kanäle eine Menge
großer Bäume, die seit Jahrhunderten hier vergraben gewesen
waren. Alle, mit Ausnahme einer großen Eiche, deren Rinde,
Wipfel und Wurzeln größtentheilö noch im vollkommensten Zustande
sich befanden, waren Erlen. Sie waren schwarz, hart und zähe
geworden, und alles bewiest, daß sie in dem sumpfigen Boden, in
dem man sie fand, und auf dessen Oberfläche sie sich in horizontaler
Richtung erhoben, alt geworden waren; eine dicke Lage Düngererde
hielt ge verborgen. Das Verschwinden der Bäume rührte ent-
weder von der Sündfluth oder von einer Ueberschwemmung der
Themse her.