1844 -
Darmstadt
: Ollweiler
- Hrsg.: Nister, Friedrich
- Sammlung: Realienbuecher vor 1871
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
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Verwüstung nicht im Geringsten an, und sie that daran fast weis-
lieber, als der vorüberziehende Krämer ans Schwaben, welcher
meinte, in dieser Hütte müsse der Geitz oder die Liederlichkeit
wohnen. Denn der selige Müller war weder von jenem noch von
diesem Laster ein Freund gewesen, aber von den vorüberziehenden
feindlichen Schaaren zweimal rein ausgeplündert worden und zum
Theil über das Herabkommen seines Hauswesens gestorben. Der
Pfarrer von Treuchtlingen hielt ihm Umsonst eine Leichenpredigt
über die Tertworte: Er heißet Herr und freuet euch vor ihm, der
ein Vater ist der Waisen und ein Beschirmer der Wittwen. — Er
tröstete aus dieser Verheißung die Wittwe mit ihrem Sohne und
betete für sie. Sein Gebet wurde von dem Herrn auf eine ganz
besondere Weise erhört."
„Ehe sich die Müllerin mit ihrem Sohne zu Tische sehte,
pflegte sie immer mit lauter Stimme zu beten: Komm, Herr Jesu,
sey unser Gast, und segne, was du bescheret hast, — und zwar
so, daß man leicht merken konnte, sie wisse und denke daran, mit
wem sie spreche, wenn sie den Mund zum Gebet anfgethan habe.
Und da erging es ihr denn auch wie weiland der Wittwe von
Sarepta."
„Ritter Ulrich von Treuchtlingen, der in der ganzen Umgegend
nur der goldene genannt wurde, weil er durch eine christliche
Wirthschaft reicher geworden war, als alle seine freiherrlichen
Nachbarn weit und breit, ging an einem Herbstabend an dem
offenen Fenster vorüber, als gerade die Müllerin in ihrer Stube
wieder, wie gewöhnlich, betete: Komm, Herr Jesu, sey unser
Gast, und segne, was du bescheret hast. — Der goldne Ritter
war aber allein, und hatte, um nicht in seinem Vergnügen, der
Jagd, gestört zu werden, seine Leute mit den vielen und schönen
Sachen vorausgehen lassen, die er zur Aussteuer seiner einzigen
Tochter und Erbin in der Reichsstadt Weisenburg gekauft hatte.
Darum hinderte ihn auch nichts, stehen zu bleiben und bei sich
selbst zu sprechen: In manchem Hause, an dem ich vorüber ging,
habe ich schon beten hören; aber gegen dieses Beten war es immer
nur ein Plappern der Heiden, und es gelüstete mich nie unter
solche Beter zu treten. Mit den Leuten in diesem Hause muß ich
näher bekannt werden. An meinem Wamms werden sie mich nicht
erkennen. Denn es sieht aus, wie eine Wiese im November."
„Und er schob den hölzernen Riegel der Haus- und Stuben-
thüre zurück, trat an den Tisch und sagte in der freien Weise eines
Forstmannes: Guten Abend! Der Herr Jesus kann heut nicht selber
kommen und schickt mich statt Seiner. — Dann setzte er sich ohne
Umstände auf die Bank an der Wand. Auch die Wittwe und ihr
Sohn fragten nicht erst lange, wohin und oder woher? sondern der
junge Müller reichte ihm einen sauberen hölzernen Löffel aus der
Tischlade zu dem Mehlbrei und die Alte sagte: Esset so viel Euch
beliebt, und thut, wie zu Hause. — Und während nun der Brei
unter den langsam schöpfenden Löffeln immer tiefer fiel, wie das