1844 -
Darmstadt
: Ollweiler
- Hrsg.: Nister, Friedrich
- Sammlung: Realienbuecher vor 1871
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
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wenn er stirbt. Zwar an Sterbenden gewahrt man gewöhnlich
eine verstärkte Bewegung des Herzens. Es ist, als ob das Herz
wider die zunehmende Krankheit und den hereinbrechenden Tod sich
wehren wolle, wobei ihm endlich die Kräfte ausgehen, so daß es
brechen und erliegen muß. Dabei aber kann eine Herzens- oder
Gemüthsruhe, wie wir vorhin meinten , ja ein freudiges Verlangen
der Seele, abzuscheiden, sehr wohl bestehen. Ein frommer Mann,
der im Sterben lag und von ungefähr hörte, daß ein Umstehender
seufzte: Ach, wie klopft ihm das Herz! sagte darauf: Laßt euch das
nicht wundern; so wie ein Läufer, — dem, als er endlich dem
Ziele sich nahe sieht, der Athem fast ausgeht, — dennoch seine
letzten Kräfte um so mehr anstrengt, damit nur ja Niemand ihm
noch zuvor komme, jo läuft und eilet auch jetzt mein Herz; es
schlägt entgegen dem vorgesteckten Ziele, dem Kleinod, welches vor-
hält die himmlische Berufung Gottes in Christo Jesu (Phil. 3, 14).
Gottlob, daß ich mein Ziel bald erreichen, meinem Herrn Jesu
bald in die Arme fallen werde!
627. Von der Ernährung und Verdauung.
Der menschliche Leib ist, vor dem der Thiere, zu dem Auf-
nehmen und Aneignen der verschiedensten Nahrungsmittel geschickt.
Der Mensch nimmt Speise und Getränke, aus allen Reichen der
Natur. Aus der unorganischen Natur vor Allem das erguickende
Wasser, welches zuweilen (z. B. in den heißen Quellen) von mutter-
milchähnlichen Nahrungsstoffen durchdrungen ist. Außer dem Wasser
begehrt er des Salzes zum täglichen Genusse; ja der Magen des
Menschen beweißt seine verdauende Kraft selbst an einigen Erdarten
und Steinen. Die Neger von Guinea essen eine gelbliche Erde,
die Bewohner von Neu - Calcedonien einen zerreibbaren Speckstein,
die Ottomaken in Südamerika eine Art fetter Thonerde und befin-
den sich wohl dabei. Im Pflanzenreiche sind es verschiedene Ge-
wächse, deren Saft oder Mark, deren zuckerhaltige Blätter oder
Früchte, deren Mehl, Leim und Eiweißstoff ihm Speise und Trank
reichen. Doch wird auch hier, und zwar noch mehr als bei der
Wahl der Nahrungsmittel im Thierreiche, am gesunden Menschen
ein vorherrschender Zug zu gewissen Pflanzen bemerkt. Dieser Zug
ist cs, welcher, namentlich beim Genusse von thierischer Speise,
unter allen Völkern die Wahl auf das Fleisch und die Milch ge-
wisser Thiere lenkt, an deren Spitze die wiederkäuenden Säuge-
thiere stehen.
Es ist nicht ohne tiefe Bedeutung, daß der Mensch, bewogen
von einem seiner Natur tief eingepflanzten Hange, seine meisten
Speisen sich durch's Feuer, die Getränke aber, durch die dem Feuer
nahe verwandte Gährung zum Genusse zubereitet. Er nimmt auf
diese Weise die Elemente des Lichtes, der Wärme, der Elektricität,
zur besseren Aneignung seiner Nahrungsmittel zu Hülfe, und fügt
so gleichsam den gröberen Speisen und Getränken feinere hinzu.
Als sollte es sich auch hierdurch (wenn auch nur vorbildlich) an-