1844 -
Darmstadt
: Ollweiler
- Hrsg.: Nister, Friedrich
- Sammlung: Realienbuecher vor 1871
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
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am Tage die in seinen Trichter fallenden Insekten; dem Geschäft
des Bauens eines neuen Trichters geht er jedoch erst nach Son-
nenuntergang nach.
Was im Kleinen der Tages- oder Nachtschlaf, das ist im
Großen Z>er Winter- und Sommerschlaf. In einen Schlafzustand,
der an Scheintod gränzt, versetzt die Winterkälte viele Insekten; am
häufigsten solche, die in einem Entwicklungs- und Keimungszustand
begriffen sind, z. B. die trächtig gewordenen Weibchen, Puppen.
Ein Schlaf, durch Kälte herbeigeführt und erst mit dieser endigend
findet sich in vorzüglicher Allgemeinheit bei der Classe der Amphi-
bien ; unter den Vögeln find vielleicht nur einige Arten der Colibris
und der Schwalbe mit eßbarem Neste einer vorübergehenden Er-
starrung durch Kälte ausgesetzt; unter den Säugethieren halten
vorzüglich Fledermäuse, Bären, Dachse, Igel, so wie einige Arten
der Ragethiere einen Winterschlaf. Während dieses tiefen Schlafes
welchen die Thiere meistens in verdeckten Schlupfwinkeln und Bauen
zubringen, wird zwar das Athmen langsamer und minder tief als
gewöhnlich, der Pulsschlag seltner und leiser, aber beide hören wohl
nie ganz auf, obgleich die natürliche Wärme des Leibes bis auf
wenige Grade über den Gefrierpunkt herabsinkt.
Der Schlaf ist bei einigen Arten so fest, daß sie auch durch
starke äußere Verletzungen nicht zu erwecken sind; bei andern, wie
bei den Bären, ist der Winterschlaf kaum tiefer als der gewöhnliche,
tägliche, denn sie sind aus jenem eben so leicht zu wecken, alö aus
diesem. Auch die Zeit des Winterschlafes ist nach den einzelnen
Arten und nach dem Aufenthaltsort verschieden. Die Seebären
verschwinden in den von den Europäern besuchten Ländern des
Polarkreises zugleich mit der Sonne und kommen bei ihrem Auf-
gang wieder hervor. Der gemeine Bär bleibt in den Pyrenäen
nur 40 Tage, im nördlichen Schweden den ganzen Winter, von der
Mitte Novembers bis Mitte Aprils, in seinem Winterlager; der
Zobel, das Murmelthier, der Siebenschläfer halten eine um so
länger dauernde Winterruhe, je kälter die Lage ihres Aufenthalts-
ortes ist. Eben so der Igel, welcher in den ebenen Gegenden von
Deutschland von Martini bis März schläft. Wärme weckt alle
Winterschläfer sehr bald. Ein zu hoher Grad von Kälte weckt sie auch,aber
auf dieses Erwachen erfolgt eine neue Erstarrung, in welcher das
Thier stirbt.
Eben so wie der Winter durch seine Kälte, schläfert manche
Thiere die Trockenheit und Hitze des Sommers ein. Die Schlan-
gen des heißen Crdgürtels, so wie die Krokodilarten, liegen wäh-
rend der Zeit der großen Dürre unbeweglich und starr im ausge-
trockneten hart gewordenen Schlamme, aber bei dem ersten Regen
zersprengen sie diese Erdendecke und gehen ausgehungert auf Raub
ans. Wie unser europäischer Igel durch Kälte, so wird der Igel
von Madagaskar durch Hitze in einen dreimonatlichen Sommer-
schlaf versetzt.
Die eigentliche, gesunde Zeit des Schlafes beträgt bei Menschen