1867 -
Rostock
: Hirsch
- Sammlung: Realienbuecher vor 1871
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Schultypen (WdK): Bürgerschule, Volksschule
- Schultypen Allgemein (WdK): Mittlere Lehranstalten, Niedere Lehranstalten
- Inhalt Raum/Thema: Deutsche Literatur
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die Schriften Augustins und bekannte, daß er nächst der Bibel am
meisten aus Augustins Schriften die reine Lehre des Evangeliums
kennen gelernt habe.
Erkenntniss Gottes und Erkenntniss sein selbst sind die
zween Angeln, darin die Thür des Himmels geht.
7. Wie der Gottesdienst immer feierlicher geworden ist.
Die ersten Christen hielten, so lange die Juden es duldeten, ihren Got-
tesdienst in einer von den Hallen des Tempels, wohin das Volk zum Gebete
zu kommen pflegte. In diesen Versnmnilungen ging es sehr einfach her: zu
Anfang wurde gesungen und gebetet, dann ein Abschnitt der heiligen Schrift
ausgelegt und endlich mit Gesang und Gebet geschlossen. Hieran konnte jeder
theilnehmen, der Lust dazu hatte. Am Abend aber kamen die getauften
Christen in den Häusern z^ammen und aßen ein gemeinschaftliches Mahl,
welches das „Liebesmahl" hieß, weil ein jeder nach seinem Vermögen frei-
willig beisteuerte, damit die Armen umsonst theilnehmen konnten. Zum Schlüsse
des Liebesmahles wurde das heilige Abendmahl ausgetheilt.
Äußerlich hatten sich die Christen von den Juden noch nicht losgesagt:
darum feierten sie den Sabbath und alle Feste fort, wie ihre Väter es gethan
hatten. Daneben pstegten sie den Sonntag als den Tag der Auferstehung
Christi feierlich zu begehen. Im zweiten Jahrhundert war der Sonntag
ganz an die Stelle des Sabbaths getreten.
Eine große Veränderung ging mit dem Gottesdienste vor, seit die
Christen anfingen, sich eigene Kirchen zu bauen. Von da an wurde die Feier
des Abendmahls aus den Häusern in die Kirchen verlegt. Aber man hielt
die Sitte fest, daß kein Ungetaufter der Feier des heiligen Mahles beiwohnen
dürfe. Darum mußten die Katechumenen, das sind die Juden oder Heiden,
welche Unterricht in der christlichen Lehre empfingen, aber noch nicht getauft
waren, die Kirche verlassen, sobald die Predigt beendigt war.
Für die Einrichtung der Kirchen konnten die Christen den Tempel zu
Jerusalem nicht als Vorbild nehmen. Der Tempel war der Ort, wo durch
das Opfer die Menschen mit Gott versöhnt wurden, also ein Vorbild auf
Christum: die Christen aber mußten ein Haus haben, darin sie der Gemein-
schaft mit Gott in Christo pflegen konnten. Zu dem Ende bauten sie ihre
Kirchen so groß, daß sie zwei Räume enthielten: einen größern Raum, in
welchem die Gemeinde zusammenkam, das Wort Gottes zu hören, und einen
kleinern Raum, in welchen diejenigen traten, welche das Sakrament genießen
wollten. Ersterer, das „Schiff" genannt, lag im Westen, leßterer, der „Chor",
im Osten. Wo Schiff und Chor zusammenstießen, stand die Kanzel, in dem
Chore, zu dem man einige Stufen hinaufsteigen mußte, der Altar.
Der Anfang des Gottesdienstes wurde aus mancherlei Weise, als durch
Rufen, Klopfen, Blasen u. s. w. angezeigt. Im sechsten Jahrhundert wurden