1867 -
Rostock
: Hirsch
- Sammlung: Realienbuecher vor 1871
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Schultypen (WdK): Bürgerschule, Volksschule
- Schultypen Allgemein (WdK): Mittlere Lehranstalten, Niedere Lehranstalten
- Inhalt Raum/Thema: Deutsche Literatur
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Papst z. B. wurde abgesetzt, weil er überführt war, Meineid, Mord und
Gotteslästerung begangen zu haben. Von'rom ans ging das Verderben
weiter und steckte bald die ganze Geistlichkeit an. Die weltlichen Herren aber
verloren alle Achtung vor der Kirche und vor dem geistlichen Amte und be-
setzten die Pfarren nach bloßer Willkür, oft mit den erbärmlichsten Kreaturen.
Wer ein Pfarramt begehrte, mußte einen Fürsprecher bei Hofe haben; sonst
nützte ihm alle Fähigkeit und Tüchtigkeit nichts. Die Fürsprecher aber ließen
sich ihre Fürsprache bezahlen und trieben somit förmlichen Handel mit geist-
lichen Stellen. Dauerte dies Unwesen lange fort , so mußte die Kirche zu
Grunde gehen. Es ist natürlich, daß viele Gemüther sehnsüchtig nach Hülfe
aussahen. Endlich erschien der Mann, der durch unbeugsamen Muth und
nachsichtslose Strenge dem Verderben Einhalt zu thun suchte.
Hildebrand.
In dem Kloster Clugny in Burgund , das sich von dem herrschenden
Verderben ziemlich frei gehalten hatte, lebte eine Anzahl trefflicher Männer,
die mit bitterm Schmerze die Noth der Kirche sahen und die Geistlichkeit aus
ihrer tiefen Schmach zu retten trachteten. Unter ihnen war ein junger Mönch
Hildebrand, eines Schmieds Sohn aus dem nördlichen Italien, der sich
durch seine Gaben und seinen Eifer vor allen übrigen hervorthat. Sein Ruf
wurde bald so groß, daß sein Name weit über die Mauern des Klosters hin-
aus genannt wurde. Der Papst wünschte den gewaltigen Mönch in seiner
Nähe zu haben und berief ihn als Prediger nach Rom. Zwanzig Jahre
lang hat Hildebrand dort als einfacher Geistlicher gewirkt, ohne daß er mit
dem Regimente der Kirche etwas zu thun hatte. Aber sein Ansehen war so
groß, daß kein Papst etwas unternahm, ohne ihn um Rath gefragt zu haben.
Im Jahre 1073 wurde Hildebrand nun selbst zum Papst erwählt und nahm
als solcher den Namen Gregor Vii an.
Die Kirche aus ihrer Schmach zu erretten und zu neuer Glorie zu er-
heben , das war das Werk, daran er sein Leben setzen wollte. Alles Elend
aber stammte nach seiner Meinung daher, daß die Kirche zu eng mit der Welt
verbunden und zu sehr in das Thun der Welt verflochten war. Darum
wandte er alle feine Kräfte au, die Kirche von diesen Banden los zu machen.
Zu dem Ende setzte er fest, daß der Papst in Zukunft nicht mehr, wie bisher,
von der Gemeinde zu Rom, sondern von einer Anzahl tüchtiger Geistlicher,
die er Kardinäle nannte, gewählt werden solle. Aus demselben Grunde ver-
bot er den Geistlichen, aus der Hand eines weltlichen Herrn ein geistliches
Amt zu nehmeu, und setzte eine Strafe darauf, wenn die weltlichen Herren
wiederum Handel mit geistlichen Ämtern treiben würden. In derselben Ab-
sicht endlich verordnete er, daß alle Priester fortan ehelos leben sollten, und
verbot dem Volke, bei verheiratheten Priestern zum Abendmahl zu gehen.
Dies alles aber waren nicht Sachen, die Gregor sich ausgedacht hatte, son-
dern die der Christenheit schon längst im Sinne lagen. Daher fiel das Volk
ihm willig zu und half ihm alle seine Pläne durchsetzen; während die Bischöfe