1867 -
Rostock
: Hirsch
- Sammlung: Realienbuecher vor 1871
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Schultypen (WdK): Bürgerschule, Volksschule
- Schultypen Allgemein (WdK): Mittlere Lehranstalten, Niedere Lehranstalten
- Inhalt Raum/Thema: Deutsche Literatur
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8. Der
Das nächste, von unsern Landsleuten am häufigsten besuchte
Gebirge ist der Harz, in dessen Besitz Braunschweig, Preußen
und Anhalt sich theilen. Ihm ist es ergangen, wie manchem be-
rühmten Manne, der unter lauter unbedeutenden Leuten lebt und
deshalb noch viel wichtiger aussieht, als er wirklich ist. Für uns
Bewohner der Ebene ist der Harz ein gewaltiger Riese; denn er
streckt sein Haupt 3500 Fuß hoch zum Himmel empor. Für den
Schweizer und Tiroler aber, der Berge von 12000 Fuß und mehr
zu sehen gewohnt ist, hört der Harz auf, ein Held unter seinen
Brüdern zu sein.
Der höchste Punkt auf dem Harz ist der Brocken oder
Blocksberg, wohl bekannt in unserm ganzen Lande; denn jeder
Dorfknabe, ob er sonst von der Geographie noch so wenig kennt,
weiß, daß in der Mainacht die Hexen nach dem Blocksberg reiten,
und dort ihr Fest feiern. Hier standen nämlich zur Heideuzeit die
Altäre der Götzen, denen jährlich am ersten Mai ein Frühlingsfest
gefeiert und große Opfer dargebracht wurden. Als nun die Leute
zum Christenthum bekehrt und der Dienst der Götzen verboten wurde,
versammelten sich die wenigen noch übrigen Heiden in der Nacht
und brachten heimlich den Götzen an dem gewohnten Orte und zur
gewohnten Zeit ihre Opfer dar. Daher ist die Sage entstanden,
daß der Teufel in der Mainacht seinen Anhängern ein Fest auf
dem Blocksberg gebe.
Durch den Brocken wird das ganze Gebirge in zwei ungleiche
Theile getheilt. Was westlich von dem Berge liegt, heißt der
Oberharz, ist wild und zerrissen, voller Schluchten und nackter
Felsen, ohne größere Ackerflächen, aber mit mächtigen Tannenwäldern
bestanden. Was östlich von demselben liegt, heißt der Unterharz,
ist mild und freundlich, mit schönem Laubholz bedeckt und bis zu
einer bedeutenden Höhe hinauf zum Ackerbau geeignet.
Der Brocken wird im Sommer von unzähligen Reisenden be-
stiegen. Aber der alte Herr hat Rücken. Wenn er seine „Nacht-
mütze aufsetzt" und sein Haupt in Nebel hüllt, ist er ein recht
ungastlicher Wirth. Der Reisende, der in solcher Zeit hinaufsteigt,
hat von aller seiner Mühe weiter nichts, als daß er in kurzer Zeit
von dem dicken Nebel bis auf die Haut durchnäßt wird, als wäre
er von einem Platzregen überrascht worden. Bei heiterm Wetter
hat man eine schöne und weite Aussicht auf mehr denn dreihundert
größere und kleinere Ortschaften.
In der wildesten Gegend des Oberharzes läuft aus dem Ge-
birge heraus eine Felsenwand, die nach drei Seiten gegen 600
Fuß tief abfällt und an manchen Stellen nur vier bis sechs Fuß
breit ist. An der äußersten Spitze ist eine Vertiefung, die fast wie