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1. Lesebuch für die Volks- und Bürgerschulen in Mecklenburg-Schwerin - S. 186

1867 - Rostock : Hirsch
186 sisid) Mord und Blut. Ihre Anbeter stellen friedlichen Menschen nach, um sie zur Ehre der Göttin zu morden: das ist ihr Gottesdienst. Die englische Regierung verfolgt diese Menschen mit unnachsichtlicher Strenge, bisher ohne großen Erfolg. Der Mörder steigt ruhig auf den Galgen hinauf; denn er tröjtet sich dainit, daß er durch den Mord sich den Himmel verdient habe. Dies sind die Hauptgötzen der Hindus. Außer diesen giebt es eine un- erhörte Menge anderer, man sagt, 330 Millionen! Aber weder die großen noch die kleinen Götker gelten überall gleich viel oder finden überall gleiche Verehrung. Vielmehr spaltet sich das Volk in" zahllose Rotten und Sekten, die pch auf das bitterste hassen und befeinden. Selbst Teufelsanbeter finden sich noch auf den Bergen und in den Wäldern. Außerdem wohnen in In- dien viele Juden, Muhammedaner und persische Feueranbeter und suchen es den Hindus an Haß gegen das Christenthum zuvorzuthun. Die ältesten Tempel der Hindus sind mit ungeheurer Mühe in Felsen hineingearbeitet. An einigen Stellen sind es kunstreich verzierte Höhlen. An andern Stellen, z. B. bei dem Dorfe Ellora, sind die Felsen Stunden weit zu einer ganzen Reihe von Tempeln und Grotten, die oft mehrere Stock- werke über einander haben, von außen und von innen bearbeitet worden. Ein ganzes Volk muß Jahrhunderte gebraucht haben, diese Tempel herzu- stellen. Die spätern heiligen Gebäude, Pagoden genannt, sind aus Stei- nen gebaut, ohne Fenster und laufen oben von allen Seiten spitz zu. Die Götzenbilder sind roh und ohne Kunst angefertigt. Es kommt vor, daß ein Mensch sich einen Götzen aus Lehm knetet, um seine Andacht vor demselben zu verrichten, und ihn dann wegwirft. Die sogenannte Andacht aber ist ein dumpfes Hinbrüten, wobei der Mensch an nichts und an alles denkt und dabei unverwandt auf einen Punkt, z. B. auf die Spitze seiner Nase, blickt, um ja nicht in seinem Denken gestört zu werden. Zur Vergebung der Sün- den bedarf man Wallfahrten nach heiligen Orten und mancherlei Reinigungen, vor allem im Wasser des heiligen Ganges. Wer am Ufer des Ganges stirbt, stirbt selig. Die Götzenseste der Hindus sind recht betrübender Art; denn sie sind wahre Greuelfeste. Wenn das Wagenfest des Dschaggernath gefeiert werden soll, wird ein wenigstens sechszig Fuß hohes Gerüst gebaut, das mehrere Stock- werke über einander hat. Den Hauptplatz nimmt das riesige, plumpe Götzen- bild ein. In den verschiedenen Stockwerken sind an hundert Priester be- schäftigt. Das ganze Gerüst steht auf einem Wagen mit niedrigen Rädern, Auf den Ton der Trompete und Trommel eilen von allen Seiten die An- dächtigen herzu und fallen vor dem Götzen auf ihr Angesicht. Plötzlich stür- zen tausende von Männern herbei, ergreifen die gewaltigen Stricke und ziehen in saurer Arbeit den schweren Wagen mit seinem ganzen Inhalte fort, ange- feuert von einem Priester, der vorne auf dem Gerüste steht und mit scham- losen Reden und Geberden das Volk ermuntert. Früher warfen sich viele in der Begeisterung vor die Räder und ließen sich zermalmen, um gewiß selig zu sterben. Das kommt jetzt nur noch selten vor. Dagegen sind Verwundun- gen und selbst lebensgefährliche Verletzungen noch sehr an der Tagesordnung. Der betäubende Lärm der Trommeln und Trompeten, das Schreien der Hun- derttausende, das Drängen und Stoßen und Quetschen dauert, bis der Um- zug vollendet ist: das ist das Fest eines Götzen.
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