1867 -
Rostock
: Hirsch
- Sammlung: Realienbuecher vor 1871
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Schultypen (WdK): Bürgerschule, Volksschule
- Schultypen Allgemein (WdK): Mittlere Lehranstalten, Niedere Lehranstalten
- Inhalt Raum/Thema: Deutsche Literatur
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Über den Zustand der Seele nach dem Tode haben die Hindus seltsame
Lehren. Die fromm gelebt, d. h. alle vorgeschriebenen Gebräuche beobachtet
haben, kommen gleich in den Himmel. Die fromm gewesen sind um des Lohns
willen, erhalten den Lohn, den sie erstrebt haben, in dem Himmel; dann aber
müssen die Seelen zurück auf die Erde und durch verschiedene Thierleiber
gehen, bis sie endlich wieder mit einem menschlichen Leibe angethan werden
und Gelegenheit haben, heiliger zu leben, als früher. Dies heißt man die
Seelenwanderung. Die Seelen der Bösen endlich bleiben zunächst ohne
Ruhe in der Luft und suchen den Menschen Schaden zu thun, weshalb auch
der Zauberer mit seinen Zauberzetteln eine wichtige Person ist. Wenn sie
aber das Maß ihrer Sünden voll gemacht haben, beginnt auch ihre Seelen-
wanderung, bis sie schließlich in einem Menschenleibe leben und sich dann für
den Himmel oder die Hölle entscheiden können.
Das gesellige und häusliche Leben der Hindus.
Ähnlich, wie die alten Ägypter, nur viel schroffer noch, zerfallen
die Indier in verschiedene „Geschlechter", die wir gewöhnlich mit
einem portugiesischen Worte „Kasten" nennen. In der frühesten
Zeit kannte man den scharfen Unterschied der Geschlechter nicht.
Der Anfang geschah damit, daß das Priesterthum in gewissen
Familien erblich wurde, und zwar in der Art, daß kein anderer
zunr Priesterthunl gelangen konnte, als der, welcher aus den prie-
sterlichen Familien stammte. Bald darauf schlossen sich die Kriegs-
leute ebenfalls so eng zusammen, daß sie keinen unter sich aufttahmen,
der nicht durch die Geburt zu ihnen gehörte. Indem die andern
diesem Beispiele folgten, bildeten sich allmählich vier Kasten heraus,
die in sich eng verbunden waren, aber nach außen hin sich gänzlich
gegen einander abschlössen.
Die oberste Kaste sind die Br ah m ine n. Aus ihnen werden
die Priester, Ärzte, Advokaten und Lehrer genommen. Sie genießen
eine solche Verehrung, daß sie fast die Götter des Volks geworden
sind. Kein Brahmine darf bestraft werden, wenn er auch Ver-
brechen begangen hat. Denn er hat Macht über die Zauberer und
bösen Geister und durch diese über die Götter und ist somit immer,
wenn er auch böse Dinge thut, ein Segen für die Welt. Die
Brahminen tragen als Abzeichen eine heilige Schnur, die ihnen
int siebenten Lebensjahre mit großer Feierlichkeit umgehängt wird.
Ihre göttergleiche Macht ist so groß, daß, so jemand nur einen
Waffertropfen an sich trägt, den der Fuß eines Brahminen berührt
hat, er um deswillen Vergebung aller seiner Sünden findet. Mit
dem Essen müssen sie sehr vorsichtig sein; denn sie dürfen nichts
essen, was Leben gehabt hat. Mit Waschungen und Reinigungen
bringen sie einen großen Theil des Tages hin. Trotz der großen
Verehrung, die sie genießen, sitzen sie voller List und Falschheit
und Betrug. Man kann sicher darauf rechnen, daß der größere
Theil aller Gauner, Tagediebe und aller Verbrecher, die die Ge-