1867 -
Rostock
: Hirsch
- Sammlung: Realienbuecher vor 1871
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Schultypen (WdK): Bürgerschule, Volksschule
- Schultypen Allgemein (WdK): Mittlere Lehranstalten, Niedere Lehranstalten
- Inhalt Raum/Thema: Deutsche Literatur
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fäiignisse der englischen Regierung füllen, der Kaste der Brahminen
angehört.
Ihnen ziemlich nahe steht die Krieg er käst e, welcher gewöhn-
lich die Könige angehören. Tief unter diesen stehen die W aisyas,
welche großentheils Kaufleute und Landbebauer sind, und endlich
die Sud ras, aus welchen viele Handwerker und Dienstboten
hervorgehen. Was nicht zu diesen vier Kasten gehört, ist Pariah
oder kastenlos und wird als unrein angesehen und mit unerhörter
Verachtung behandelt.
In den verschiedenen Gegenden treten die Kasten sehr verschie-
den auf. Im Süden z. B., wo die zweite und dritte Kaste fast
ganz fehlen, rücken die Sudras an die Brahminen hinan. Dort
erscheinen die Pariahs fast noch als Kaste und halten sich berechtigt,
mit Verachtung auf die tief unter ihnen stehenden leibeigenen Knechte,
sowie auf die Gerber und Schuster hinabzusehen, welche für unrein
gelten, weil sie mit dein für unrein gehaltenen Leder hantieren.
Die Hauptkasten theilen sich wieder in Unterkasten, deren jede,
wiewohl ihre Zahl sich an die 3000 belaufen mag, ihren besondern
Beruf und genau bestimmte Arbeit hat. Das Mädchen, das das
Essen kocht, wäscht nicht die Teller ab, und der Knecht, der die
Pferde futtert, striegelt sie nicht, und der sie striegelt, fährt sie
nicht. Ja: die Kaste kommt der Mensch nur durch die Geburt hinein:
kein Reichthum, keine Kenntnisse, kein Verdienst hebt einen in eine
höhere Kaste; mancher Sudra ist ein reicher Mann, und mancher
Brahmine geht betteln. Wer wegen eines Vergehens aus der Kaste
gestoßen ist, ist für die Seinigen so gut, als todt. Niemand darf
in eine andere Kaste hineinheirathen, niemand mit einem Menschen
aus einer crndern Kaste zusammensitzen, oder in demselben Hause
wohnen, oder gar in demselben Raume essen. Daher müssen die
Hausdiener, welche in der Nähe der Herrschaften zu thun haben,
niit dieser zu derselben Kaste gehören. Der Brahmine wird schon
unrein, wenn der Schatten eines Pariah ihn streift oder der Athem
eines Sudra ihn trifft. In einem und demselben Dorfe sind die
Nachbarn einander ganz fremd, wenn sie verschiedenen Kasten an-
gehören; sie dürfen nicht einmal aus demselben Brunnen Wasser
schöpfen. Auf Reisen hat jeder sein Kochgeschirr gerne bei sich,
damit er nicht unwissend sich verunreinige, wenn er etwa ein Gefäß
bekommt, welches ein Mensch aus einer andern Kaste mit seinen
Lippen berührt hat. Ein Fremder kann am Wege verschmachten;
niemand hilft ihm, weil man nicht weiß, aus welcher Kaste jener
ist, und ob man nicht durch die Berührung des Armen sich verun-
reinigen würde. Die Kaste ruht wie ein Fluch auf den: unglück-
lichen Volke, das pflichtschuldigst für einen Menschen aus einer
andern Kaste kein Herz und keine Theilnahme haben darf.