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1. Lesebuch für die Volks- und Bürgerschulen in Mecklenburg-Schwerin - S. 193

1867 - Rostock : Hirsch
193 Augen. Hände und Füsse sind klein; je kleiner sie sind, desto schöner gilt der Mensch. In vornehmen Häusern werden dem neugebornen Mädchen die Zehen unter die Fusssohle gebogen und dann der Fuss durch Binden scharf zusammengepresst, so dass der Fuss eines erwach- senen Mädchens zuweilen nicht über vier Zoll lang ist. Aber er ist ein unförmlicher Klumpen und zu keinem Dienste zu gebrauchen. Eine vor- nehme Chinesin kann höchstens im Zimmer einige Schritte allein gehen; will sie nur den Garten hinter dem Hause betreten , so muss sie sich auf eine Dienerin stützen. Über die Strasse zu gehen , wäre selbst mit fremder Unterstützung nicht möglich. Das gilt dort als schön und als ein Zeichen der Vornehmheit! Die Chinesen sind von Alters her ein kluges und geschicktes Volk. Den Gebrauch des Kompasses, die Bereitung von Papier und Porzellan und viele andere Künste haben sie lange vor Christi Geburt gekannt. Aber wo sie damals standen, da stehen sie noch heute und wollen es nicht wissen , dass andere Völker ihnen längst vorgekommen sind. Sie zweifeln keinen Augenblick daran , dass ihnen die Herrschaft über die Erde gebührt, und dass alle Könige der Welt nur durch die Gnade ihres Kaisers ihr Bestehen haben. Sie sind arbeitsam und ausdauernd in unbegreiflichem Grade; aber ihr Fleiss ist kleinlich und ängstlich. Man erzählt, dass ein König von England zwei wunderschöne Porzellan- vasen aus China erhielt, von denen die eine unterwegs einen Riss be- kam. Er sendet die gesprungene zurück und bestellt eine ganz gleiche neue. Was geschieht? Die neue Vase kommt an und stimmt ganz ge- nau mit der als Muster gesandten; selbst der Riss ist so sorgfältig nach- gemacht, dass durch nichts zu erkennen ist, welche Vase als Modell ge- dient hat, und welche die nachgemachte ist. Ein hervorstehender Zug des Chinesen ist , dass er Lug und Trug ohne jegliche Scham übt. »Mancher Kaufmann hat über seinen Laden mit goldenen Buchstaben die Inschrift gesetzt: „Hier wird nicht betro- gen“, und betrügt wie alle andern. Wird ein Chinese auf einem Betrüge ertappt, so antwortet er ruhig: „Du bist gescheiter, als ich“, und nimmt sich vor, in Zukunft es schlauer anzufangen. Dazu ist er gefühllos hart gegen fremdes Leid und feige im höchsten Grade. Eine Handvoll Eng- länder und Franzosen hat 1860 die Hauptstadt des Reiches eingenommen, dessen Flächeninhalt li- mal so gross ist , als ganz Europa. Weil sie feige und lügenhaft sind, so beweisen sie gegen Vornehmere eine ekel- hafte, kriechende Höflichkeit, gegen Niedere einen masslosen, unver- schämten Hochmuth. Im Hause ist der Mann unumschränkter Herr über Frau und Kin- der. Letztere kann er als Sklaven verkaufen oder todten , wenn er sie nicht glaubt ernähren zu können. Im Essen sind die Chinesen nicht wählerisch: Hunde , Ratten und Regenwürmer sind beliebte Gerichte. Ein Leckerbissen für Feinschmecker ist das „gebratene Eis“ , ein Eis- stück, welches mit einem Teig von Eiern, Zucker und Gewürzen umge- hen ist. Es wird in siedendes Schweinefett getaucht und schnell ver- schluckt. Löffel und Gabel kennen die Chinesen nicht. Sie nehmen zwei hölzerne Stäbchen, bringen die untern etwas breiten Enden an ein- ander und werfen vermittelst derselben mit unglaublicher Geschicklich- keit die Speisen in den Mund. 13
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