1867 -
Rostock
: Hirsch
- Sammlung: Realienbuecher vor 1871
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Schultypen (WdK): Bürgerschule, Volksschule
- Schultypen Allgemein (WdK): Mittlere Lehranstalten, Niedere Lehranstalten
- Inhalt Raum/Thema: Deutsche Literatur
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Eben so ist für die öffentliche Sicherheit in Amerika nicht son-
derlich gesorgt. Ganze Scharen von Betrügern und Raufbolden,
die sich förmlich in Klassen theilen, streifen durch die Straßen der
großen Städte, fallen Menschen an iinb berauben sie am Hellen
Tage. Eine ganze Bande von Faullenzern lebt in New-Jork da-
von, daß sie die ankommenden Auswanderer betrügen. Streitig-
keiten enden oft mit Mord, ohne daß sich eine Seele darum beküm-
mert. Daher gehen viele nie anders als wohlbewaffnet aus dem
Hause. Wenn ein Verbrechen vorzuliegen scheint und die Polizei
nicht zur Hand ist, hält das Volk auf der Stelle Gericht. Ist der
angebliche Verbrecher für schuldig erkannt, so wird er am nächsten
Baum erhenkt, nachdem er nur Zeit behalten, ein Vater Unser zu
beten und kurze Anordnungen für sein Haus und seine Familie zu
treffen. Dies Gericht, Lynch (spr. Lüntsch) genannt, dient wahrlich
nicht dazu, den Glauben an die Gerechtigkeit der Nordamerikaner
wesentlich zu stärken.
Der Sonntag wird in Amerika so strenge gefeiert, daß die
von uns dorthin Ausgewanderten in der Regel nicht genug zu prei-
sen wissen, daß der Mensch dort doch einen Sonntag habe. Alles
ruht; keiner strickt einmal oder spielt Klavier. Den Kindern wer-
den die Spielsachen weggenommen. Man geht zwei bis dreimal
zur Kirche und hält daneben noch Hausandachten. Kein Volk auf
der Erde bringt für die Mission und andere kirchliche Zwecke so
viele Beiträge zusammen, als die Nordamerikaner. Alle möglichen
Kirchen und Sekten bestehen neben einander; aber keine erhält zur
Erhaltung ihres Kirchenwesens die geringste Unterstützung aus öf-
fentlichen Kassen. In den Regierungsschulen wird kein Religions-
unterricht ertheilt; denn die Schulen sollen nur das geben, was
nützlich ist, um Geld zu verdienen. Die Zucht in denselben ist über
die Maßen schlecht. Die Lutheraner können sich mit solchem Un-
wesen am wenigsten befreunden; darum legen sie, wenn sie irgend
dazu im Stande sind, Kirchspielsschulen an, die ganz wie unsre
Schulen eingerichtet sind.
Die Prairien.
Die Prairien sind die ausgedehnten Grasebenen zwischen demmissi-
sippi und dem Felsengebirge, welche Deutschland fünfmal an Größe über-
treffen und zum Theil eine außerordentliche Fruchtbarkeit besitzen. Prairien
von mittlerer Güte bedürfen, wenn sie umgebrochen werden, in den ersten
20 Jahren keinen Dung; der gute Boden giebt 80 Jahre lang ergiebige
Ernten, ohne daß er auch nur eine Spur von Dung begehrt. Der Boden
der Prairien hat nur kleine, wellenartige Erhöhungen und ist überall mit
Blumen und ellenhohem Grase bedeckt. In der Hitze des Sommers verdorrt
die Menge des Grases und sinkt matt auf die Seite. Geräth dann die
Prairie in Brand, so stürmt die feurige Gluth wirbelnd über die endlose