1867 -
Rostock
: Hirsch
- Sammlung: Realienbuecher vor 1871
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Schultypen (WdK): Bürgerschule, Volksschule
- Schultypen Allgemein (WdK): Mittlere Lehranstalten, Niedere Lehranstalten
- Inhalt Raum/Thema: Deutsche Literatur
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Da faßt der Greis ein Messer und spricht kein Wort dabei
und schneidet zwischen beiden das Tafeltuch entzwei.
45. Kaiser Nudolfs Nitt zum Grabe.
Auf der Burg zu Germersheim,
stark am Geist, am Leibe schwach,
Sitzt der greise Kaiser Rudolf,
spielend das gewohnte Schach.
Und er spricht: „Ihr guten Meister,
Ärzte! sagt mir ohne Zagen:
Wann aus dem zerbrochnen Leib
wird der Geist zu Gott getragen?"
Und die Meister sprechen: „Herr,
wohl noch heut erscheint die Stunde."
Freundlich lächelnd spricht der Greis:
„Meister, Dank für diese Kunde!"
„Auf nach Speier! auf nach Speier!"
ruft er, als das Spiel geendet:
„Wo so mancher deutsche Held
liegt begraben, seis vollendet!
Blast die Hörner! bringt das Roß,
das mich oft zur Schlacht getragen!"
Zaudernd stehn die Diener all:
doch er ruft: „Folgt ohne Zagen!"
Und das Schlachtroß wird gebracht:
„Richt zum Kampf, zum ewgenfrieden,"
Spricht er, „trage, treuer Freund,
jetzt den Herrn, den lebensmüden!"
Weinend steht der Diener Schar,
als der Greis auf hohem Rosse,
Rechts und links ein Kapellan,
zieht, halb Leiche, au§ dein Schlosse.
Trauernd neigt des Schlosseslinde
vor ihm ihre Äste nieder,
Vögel, die in ihrer Hut,
singen wehmuthsvolle Lieder.
Mancher eilt des Wegs daher,
der gehört die bange Sage,
Sieht des Helden sterbend Bild
und bricht aus in laute Klage
Aber nur von Himmelslust
spricht der Greis mit jeneu Zweien,
Lächelnd blickt sein Angesicht,
als ritt er zur Lust im Maien,
Von dem hohen Dom zu Speier
hört man dumpf die Glocken schallen.
Ritter, Bürger, zarte Frauen
weinend ihn: entgegen wallen.
In den hohen Kaisersaal
ist er rasch noch eingetreten:
Sitzend dort auf goldnem Stuhl,
hört man für das Volk ihn beten.
„Reichet mir den Heilgen Leib!"
spricht er dann mit bleichem Munde;
Drauf verjüngt sich sein Gesicht
um die mitlernächtge Stunde.
Da auf einmal wird der Saal
hell von übernrdschem Lichte, —
Und verschieden sitzt der Held,
Himmelsruh im Angesichte.
Glocken dürfens nicht verkünden,
Boten nicht zur Leiche bieten:
Alle Herzen längs des Rheins
fühlen, daß der Held verschieden.
Rach dem Dome strömt das Volk,
schwarz, unzähligen Gewimmels;
Der empfing des Helden Leib,
seinen Geist der Dom des Himmels.
46. Von etlichen großen Erfindungen.
Als das Mittelalter seinem Ende entgegen ging, wttrden im
westlichen Europa mehrere große Erfindungen gemacht, welche all-
mählich das Leben der Völker von Grund ans umgestalteten und
die Zustände herbeiführen halfen, die nod) jetzt unter uns bestehen.
Dahin gehören:
1. die Erfindung des Kompasses. Die alten Völker
haben die Schifffahrt wohl gekannt und fleißig getrieben; aber sie
hielten sich, so viel wie möglich, irr der Nähe der Küsten und wagten
sich nicht in die ofiene See hinaus; denit sie hatten keinen andern
Wegweiser durch das große Meer, als die Sterne des Himmels.
Sobald Nebel oder Regen ihnen den Anblick derselben entzogen,
wußten sie sich nicht zu helfen, noch zu rathen. Dies dauerte so