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1. Lesebuch für die Volks- und Bürgerschulen in Mecklenburg-Schwerin - S. 321

1867 - Rostock : Hirsch
321 Knecht zum Könige. Von der Revolution kann man nicht sagen, daß die * Menschen ernteten, wo sie nicht gesäet hatten. Viele Jahre lang hatten sie das Unkraut ausgestreut, aber erkannten es nicht, bis die Frucht vor Augen lag; viele Jahre lang hatten sie Wind gesäet, aber wollten nicht glauben, daß sie Stürme ernten würden, bis der Orkan losbrach und ihre Häuser ihnen über die Köpfe zusammenstürzte. Die Vorboten des kommenden Verderbens meldeten sich schon zur Zeit der Reformation und traten von da an immer deutlicher hervor. König Franz von Frankreich, der zugleich mit Karl V lebte, verfolgte die Protestanten in seinem Lande mit grausamer Strenge. Karl Ix ließ in der Bartholomäus- nacht tausende von ihnen barbarisch hinschlachten. Von dem Tage an hatte er nicht Ruhe, noch Rast; die Schreckbilder der Gemordeten verfolgten ihn, wo er ging und stand, und scheuchten des Tages den Frieden ans seinem Herzen, des Nachts den Schlaf aus seinen Augen. Der König welkte langsam hin und starb, da er noch nicht vier und zwanzig Jahre alt war. Sein Nachfolger war ein feiger, wollüstiger und grausamer Mensch, der ein schwel- gerisches Leben führte, mit Hunden und Affen spielte und die Regierung seinen Günstlingen überließ. Dessen Nachfolger Heinrich Iv suchte kräftig dem ein- reißenden Verfall zu wehren. Aber schon unter dem Nachfolger, Ludwig Xiii, trat das Verderben in bedenklicherer Gestalt und gefährlicherer Weise als je hervor. Ludwig hatte den Kardinal Richelieu zum Minister, einen klugen und gewandten Staatsmann, der nur Frankreichs Größe und des Königs Macht in: Auge hatte, Religion und Sittlichkeit aber für gleichgültige Dinge ansah. Er verband sich im dreißigjährigen Kriege mit den Evangelischen in Deutschland, während er in Frankreich die Protestanten aus das heftigste verfolgte. Dies Beispiel von oben beschädigte die Gewissen des Volkes mehr, als es die offenbaren Sünden der Könige und ihres Hofes vermocht hätten. Um die Macht des Königs zu heben, suchte Richelieu die Stände des Reichs zu demüthigen und ein Recht nach dem andern ihnen zu nehmen. Von dieser Zeit fangen die Könige in Frankreich an, nach Willkür zu herrschen und Reichsversammlungen nicht weiter zu berufen. Unter seinem Nachfolger, Ludwig Xiv, versuchten die Stände noch einmal, ihre alten Rechte geltend zu machen. Aber der kaum sechszehnjührige Herrscher trat mit der Reitpeitsche in der Hand entrüstet in ihre Mitte und fertigte sie dermaßen ab, daß sie für immer genug hatten. Ludwig regierte von da ab als Selbstherrscher mit aller Macht, die nur je ein König in den alten Weltmonarchien besessen hat. Er strebte unausgesetzt darnach , seine Macht zu vergrößern und sein Ansehen zu mehren. Aus diesem Grunde führte er beständig Krieg mit seinen Nachbarn rings umher. Seine freche Anmaßung kannte keine Grenzen. Berüchtigt ist der Kriegszug gegen die Pfalz, in welcher auf Befehl des Königs Städte und Dörfer bis auf den Grund niedergebrannt, Gärten und Felder verwüstet und die Einwohner in scheußlicher Weise gemißhandelt wurden. Zugleich scheute er sich nicht, den Türken, den Erbfeind der Christenheit, zum Verbündeten zu haben. Ludwig führte ein glänzendes Leben und verwandte unermeßliche Sum- men darauf, an Pracht und blendender Herrlichkeit es allen Höfen von Europa zuvorzuthun. Er führte prachtvokle Bauten aus , begünstigte Künstler und Gelehrte, munterte Dichter und Schriftsteller auf und zog die größten Männer der Nation in seine Nähe. An seinem Hofe entstand zuerst das leichte, geist- reiche Gespräch, das mit freundlicher Behendigkeit über alle Dinge dahineilt, ohne sie recht anzufassen. Aber trotz aller äußern Freundlichkeit war das Leben an Ludwigs Hofe nicht bloß weltlich, sondern schandbar bis in den tiefsten Grund; der Pariser Hof war wie ein übertünchtes Grab. Dabei 21
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