1867 -
Rostock
: Hirsch
- Sammlung: Realienbuecher vor 1871
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Schultypen (WdK): Bürgerschule, Volksschule
- Schultypen Allgemein (WdK): Mittlere Lehranstalten, Niedere Lehranstalten
- Inhalt Raum/Thema: Deutsche Literatur
358
den Zug mit , so ungerne sie es thaten. Sie hörten von den Siegen in
Mitteldeutschland; die Thaten ihrer Brüder wurden von Millionen gepriesen,
während sie in kleinen, unrühmlichen Kämpfen ihr Blut vergießen mußten
und von Deutschland fast vergessen wurden. Die Beschwerden des Feldzuges
mehrten sich bei der zunehmenden Winterkälte Woche für Woche. Es kam
vor, daß die Soldaten Nächte im Walde zubringen mußten, während die
Füße bis an die Kniee im Schnee standen und das Eis von den Zweigen
klirrte und weder trocknes Holz da war, Feuer anzumachen, noch Brot, den
Hunger zu stillen. Unter den vielen kleinen Kämpfen, welche die Verbündeten
in Dänemark zu bestehen hatten, war das Tressen am 10 December, dem
Geburtstage des Herzogs Friedrich Franz, das unglücklichste, aber ruhmreichste
für die Mecklenburger. Wallmoden traf an diesem Tage bei dem Dorfe
Sehestedt auf eine starke Abtheilung Dänen und griff sie mit seiner weit
geringern Macht an. Früh um fünf Uhr begann schon der Kampf. Die
Dessauer Jäger hielten das Dorf Sehestedt beseht und vertheidigten es
Stunden lang mit Muth und Ausdauer gegen den zahlreichen Feind. Leider
hatten sich die verschiedenen Führer der Verbündeten in ihren Ansichten nicht
einigen können. Daher kam es, daß die Mecklenburger den Befehl, nach
Sehestedt zu marschiren, viel zu spät erhielten. Nach einem höchst ermüdenden
Tagemarsche erreichten sie Abends spät ihr Quartier und mußten am folgen-
den Tage bei Nacht und Nebel wieder aufbrechen: denn es waren noch drei
Meilen bis Sehestedt zurückzulegen. Als sie aus dem Kampsplatze ankamen,
wurden sie, obwohl sie vom raschen Marsch ermüdet waren, gleich ins Feuer
geschickt. Das Dorf Sehestedt, welches auf einer nach allen Seiten abfallenden
Anhöhe liegt, war von den Dänen erobert und sollte von den Verbündeten
wieder genommen werden. Aber das war so leicht nicht gethan. Die Anhöhe
war rings mit Kanonen beseht, aus welchen die Kartätschenladungen wie Ha-
gelschauer aus die Andringenden sich ergossen. Es war unmöglich, ohne eine
starke Masse von Fußvolk die Anhöhe zu erstürmen. So wogte der Kampf
hin und her. Wallmoden harrte von Minute zu Minute, daß die Schweden
ihm zu Hülfe kämen; aber die Schweden kamen nicht.
Bis zum Nachmittage stand das Treffen, ohne daß die Dänen die kleine
Schar der Verbündeten hätten zurücktreiben können. Da die Schweden nicht
kamen, wollte der General auf andere Weise den Dänen beizukommen suchen
und ertheilte den mecklenburgischen reitenden Jägern d'en Befehl, daß sie rasch
vorrücken und alles niederhauen sollten, was ihnen in den Weg käme. Unter
lustigem Hörnerklang setzte sich das Regiment, den Herzog Gustav an der
Spitze, in Bewegung. Durch einen morastigen Hohlweg gings im Galopp
immer bergan. Aber kaum hatten die Vordersten die Anhöhe erreicht, als
zwei dänische Batterien ein mörderisches Feuer auf den Ausgang des Hohl-
weges eröffneten. Der Erfolg war schrecklich. Die Kartätschen räumten
mächtig unter der muthigen Schar auf. Herzog Gustav wurde verwundet und
gefangen genommen. Nun ging es durch den Hohlweg zurück. Die dänischen
Reiter folgten nach, um den geschlagenen Feind aufzureiben. Daß dies nicht
gelang, ist einzig den mecklenburgischen Fußjägern zu verdanken, welche mit
einer Kühnheit, die manche für Tollkühnheit ausgaben, vordrangen, um den
dänischen Reitern in den Rücken zu kommen. Ihr Verlust war sehr groß.
Jede Hecke, womit in Holstein alle Felder umgeben sind, war mit dänischen
Jägern beseht und mußte mit den Waffen in der Hand genommen werden.
Unter den Gefallenen war der beliebte Führer der zweiten Kompagnie, der
unverzagte Hauptmann von Brandt. Aber sie erreichten ihren Zweck. Die
feindlichen Reiter kehrten um und konnten nur mit großem Verlust sich zu
den Ihrigen durchschlagen. Am Abende, als alles vollbracht war, kamen