1867 -
Rostock
: Hirsch
- Sammlung: Realienbuecher vor 1871
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Schultypen (WdK): Bürgerschule, Volksschule
- Schultypen Allgemein (WdK): Mittlere Lehranstalten, Niedere Lehranstalten
- Inhalt Raum/Thema: Deutsche Literatur
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die den weitesten Weg hatten, herangekommen waren. Napoleon
aber rechnete umgekehrt, daß er die Engländer und Preußen
werde vernichten können, ehe die andern zur Stelle wären. Des-
halb eilte er nach Belgien und griff am 16. Juni die Preußen
bei dem Dorfe Lignp an. Blücher nahm den Kampf unverzagt
auf, wiewohl er bedeutend schwächer war; denn er hoffte, daß
Wellington ihm zu Hülfe kommen werde. Den ganzen Tag wurde
mit einer Erbitterung gekämpft, als ob jeder einzelne Mann einen
Todfeind vor sich habe. Blücher selbst stürzte mit dein Pferde
und war in großer Gefahr, gefangen zu werden. Kein Welling-
ton erschien. Am Abend mußten sich die ermatteten Preußen zu-
rückziehen. Sie hatten 12,000 Mann und die Schlacht selbst ver-
loren.
Zu derselben Zeit kämpfte eine kleinere Abtheilung Franzosen
gegen die Engländer bei Waterloo. Dieser Angriff hatte wohl
nichts weiter zu bedeuten, als daß Wellington verhindert werden
sollte, den Preußen zu Hülfe zu kommen. Nach dem Siege bei
Lignp brach Napoleon selbst mit dem größten Theile seines Heeres
nach Waterloo auf, um die stolzen Engländer mit einem einzigen
Schlage zu zermalmen. Wellington sah das Ungewitter heran-
ziehen und erkannte deutlich, daß er der furchtbaren Macht nicht
gewachsen war. Er schickte deshalb einen Boten an Blücher und
ließ ihm sagen, er werde angreifen, falls jener ihm einige Trup-
pen zu Hülfe senden wolle. Blücher, der Heldengreis, der eben
eine Schlacht verloren hatte und noch große Schmerzen in Folge
des Sturzes mit dem Pferde litt, antwortete unbedenklich: „Nicht
mit einigen Truppen, sondern mit dem ganzen Heere werde ich
kommen."
Am 18. Juni begann die Schlacht. Napoleon stand auf einem
Hügel und schaute mit Siegesgewißheit der blutigen Arbeit gu.
Aber ganz leichten Kaufes, das sah er bald ein, sollte er den
Triumph nicht erringen. Ein Regiment nach dem andern schickte
er ins Feuer: es wurde von den kaltblütigen Engländern mit
blutigen Köpfen zurückgewiesen. Wie ein Gewittersturm brauste
seine schwere Kavallerie zwischen die englischen Vierecke hindurch:
sie konnte sie nicht zersprengen. Ganze Reihen des Fußvolkes riß
die französische Artillerie nieder: die Englüüder hielten Stand
wie Wall und Mauer. Kalt und ruhig gleich einer Bildsäule von
Marmor stand Wellington unter einem Baume und leitete die
Schlacht. Die Kugeln sausten ihm um die Ohren. Bald fiel hier,
bald dort einer aus seiner Umgebung. Man wollte ihn bewegen,
den gefährlichen Platz zu verlassen. Er aber erklärte mit fester
Stimme: „Hier bleibe ich, und keinen Fußbreit weiche ich." Als
10,000 der ©einigen todt oder verwundet um ihn lagen, seufzte
er einmal: „Wollte Gott, es wäre Abend, oder die Preußen kämen!"
Unterdessen hatte Blücher große Noth, mit seinen Truppen
fortzukommen. Es hatte den ganzen Tag und die Nacht geregnet.
Die Wege waren grundlos. Menschen und Thiere blieben stecken.
Die Kanonen waren oft kaum fortzubringen. Mancher verlor den
Muth und rief: „„Es geht nicht, es ist unmöglich." Aber Blücher
verzagte nicht. Überall war er zugegen, wo der Zug ins Stocken
gerieth, und feuerte die Truppen an. „Kinder," rief er, „wir
müssen ja hin, sonst werden wir wortbrüchig." Und dann ging