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1. Die weite Welt - S. 15

1865 - Leipzig : Amelang
15 machenden Höhe wachsam umher. Er lächelt, wenn unerfahrene Landleute oder junge Anfänger jeden heftigen Wind einen Sturm nennen, und ist ungern freigebig mit diesem Namen, so lange das Schiff noch mehr, als die untern grossen Segel führt. In offener See hat selbst ein Sturm nichts Schreckliches für ihn; was kann er ihm schaden, sobald alle Segel einge- zogen sind und das Schiss, mit dem Schnabel gegen den Wind beigelegt, dem Drange der Wellen folgt; oder wenn man es mit wenigen Segeln schnell vor dem Sturme hinfliegen lässt? Nur alsdann wird der Sturmwind in der That furchtbar, wenn er das Schiff an eine Küste führt, wo kein Hafen dem Seefahrer Sicherheit verspricht, und die einzige Hoffnung, dem Schiffbruch zu entgehen, auf der Stärke der Segel beruht. Diese Gefahr trifft ihn indessen nur selten; Anstrengung und Unannehmlichkeiten hingegen sind sein tägliches Loos. Der Posten am Steuerruder ist einer' der beschwerlichsten ; Keiner hält es länger als eine Stunde dabei aus, und wenn die See in hohen Wogen geht oder der Wind heftig stürmt, müssen zwei Personen zugleich das Kad regieren, welches sonst für die Kräfte eines einzelnen Mannes leicht zu mächtig wird und ihn zuweilen so mit sich fortreisst, dass er in Lebens- feiähr ist. Wenn die See ungestüm ist, so schlagen die Wellen oft in as Schiff, und zwar hauptsächlich da, wo die Wache sich aufhält, die zu- letzt, bis auf die Haut durchnässt, sich lachend über ihr Unglück tröstet. 13. Die geretteten Schiffer. Im Jahre 1778, um die Zeit der Nachtgleiche, gab es eines Tages bei Danzig einen heftigen Sturm. Die ältesten Schiffleute auf der Ostsee konn- ten sich kaum auf ein ähnliches Wetter an diesen Küsten besinnen. Ich*) wohnte damals mit meinen Eltern nahe an den Schiffswerften. Früh Mor- gens sagte mein Vater zu mir: „Johannes, komm’ an den Strand, es wird heute Unglücks die Monge geben!“ Ich folgte ihm. — Nach einer Stunde erreichten wir die Danziger Münde; von da ging's weiter an das offene Meer. Es war ein kläglicher und herzzerreissender Anblick! Koffer, Trüm- mer von Schiffen, Tonnen, Hallen von Waaren trieben unter- und durchein- ander. Der alte Schiffsherr Petersen, der auch in unserer Nachbarschaft wohnte, begegnete uns hier und erzählte meinem Vater: „Vierzehn bemannte Fahrzeuge, eins schmucker als das andere, Engländer, Dänen, Schweden, seien in dieser wilden und stürmischen Nacht mit Mann und Maus unter- gegangen.“ Indem wir noch so mit einander sprachen, trieb mitten unter den Planken eines gescheiterten Schiffes ein männlicher Leichnam ans Ufer. Weinende Schifferweiber mit ihren Kindern umringten ihn sogleich, um zu sehen, ob es ein Bekannter, Vater, Freund oder Bruder von ihnen wäre; aber in den von Schaum, Moos und Meergras entstellten Gesichtszü- gen hielt es schwer, eine Aehnlichkeit zu entdecken, oder die entdeckte weiter zu verfolgen. So traurig beschäftigt vernahmen wir plötzlich einen Gesang aus dem Meere. Drei halbnackte Schiffleute sassen in einem Boot uhd ruderten mit beigelegtem Segel dem Ufer zu. Aus dem grässlichen Tumult der vergangenen Nacht gerettet, brachten sie dem t Herrn ein fröhliches Lied zur Morgengabe. Hier ist es: Nach dem Sturme fähren wir sicher durch die Wellen, Lassen, grosser Schöpfer, dir unser Lob erschallen. Lobe,t> ihn mit Herz und Mund, lobet ihn zu jeder Stund’! Christ! Kyrie! Komm’ zu uns auf die See! Einst in meiner letzten Noth lass mich nicht versinken! Soll ich von dem bittern Tod Well’ auf Welle trinken, *) Johannes Falk.
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