1865 -
Leipzig
: Amelang
- Autor: Fix, Wilhelm
- Sammlung: Realienbuecher vor 1871
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Inhalt Raum/Thema: Weltkunde
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Kreisen um die Stadt, und über das ganze Meeresufer hin breiten die maje,
statischen Gipfel der Brodbäume, dunkelgrünende Cypressen, weitästige Pla-
tanen, Feigen-, Orangen- und Granatbänme mit ihren lockenden Früchten
den wundervollen Schleier ihres Laubwerkes. Weiterhin sind die untersten
Abhänge des Gebirges mit Olivenhainen bedeckt. Ungefähr eine halbe Stunde
von Beirut öffnen die vordern Berge des Libanon ihre tiefen Schlünde, in
deren Dunkel das Auge sich verliert. Rauschende Flüsse brechen aus ihnen
in verschiedenen Richtungen hervor und stürzen in kurzem Laufe dem Meere
f)u. Lebhafte Thätigkeit regt sich im Hafen. Maroniten und Drusen,
dle schönen, kraftvollen Söhne des nahen Gebirges, bewegen sich in geschäf-
tigem Getümmel im Glanze ihrer Waffen, in ihren malerischen Trachten hin
Und her. Barken mit Waaren aus Bagdad und Damaskus stoßen vom
Lande und eilen zu den Schiffen, die in einiger Entfernung vom Ufer vor
Anker liegen. Verworrenes Geschrei der Männer, untermischt von dem kläg-
tigen Aechzen der Kameele, die genöthigt werden- sich auf ein Knie niederzu-
tassen, um ihre Lasten aufzunehmen, erfüllt die Luft. Und dieses lebensvolle
Vild der Gegenwart ist doch nur ein nackter Schatten im Vergleich mit den
«Beiten des Mittelalters, als Damaskus, dessen blühender Hafen Beirut war,
uoch in seiner Blüthe stand.
Ueber die steile Küste führen alte Kunststraßen, an deren Felsenwänden
sich noch Ueberbleibsel vonjnschriften und Bildwerken zeigen. Beschwerliche
und gefahrvolle Wege führen ins Gebirge, bald an entsetzlichen Abgründen
hin, bald durch finstere Schluchten, an schäumenden Flüssen entlang, deren
.Hfer mit Zuckerrohr bepflanzt ist. Ueberall stellt sich neben die wilde Größe
und Erhabenheit der Natur die Anmuth menschlichen Fleißes. Von tief
Unten bis nahe an den wellenförmigen Scheitel des Gebirges steigen gemauerte
Terrassen mit edlen Reben und Maulbeerpflanzungen oft hundertfach über
einander empor. Zwischen den Abhängen iuit> dem Felsengeröll stießt das
überströmende Wasser in tausendfachen Windungen in die Tiefe; überall
hängen an den Felsenwänden Klöster und Dörfer wie Schwalbennester über
hen Schlünden der Thäler, und die Häuserreihen liegen nicht selten so dicht
über einander, daß die platten Dächer der unteren den oberen zur Gasse dienen.
Ätit solcher fast ängstlichen Sparsamkeit ist jeder Fußbreit des kostbaren Bo-
xens benutzt. Keine Mühseligkeit in seiner Bebauung, keine Gefahr, welche
den Wohnungen durch die reißende Gewalt der die Felsen unterhöhlenden
^äche droht, kann den Bewohnern des Libanon ihre Heimath verleiden; denn
Uur auf'diesem unzugänglichen Gebirge giebt es eine Freiheit, wie man sie
sonst im ganzen Morgenlande vergeblich sucht.
Die Masse des Libanon, dessen Name weißer Berg bedeutet, besteht
aus weißlichem Kalkstein, in welchem man auch Muscheln und Versteinerungen
von Geschöpfen der Vorzeit findet. Sein Gipfel erhebt sich bis zu einer
Höhe von 10,000 Fuß und ist mit der Schneedecke eines ewigen Winters
Umgeben, während die engen Schluchten seiner untern Thäler die Gluth der
^oinniersonne gefangen halten. So stufen sich auf den verschiedenen Höhen-
hunkten des Gebirges verschiedene Zonen ab. Jede bringt ihre eigenthürn-
stchen Erzeugnisse; unten Getreide irn Ueberflnß; in der Mitte der hei-
tereanblick immergrüner Bäume, Gärten mit.den schönsten Früchten Syriens,
^Ule milde Luft imb reiche Bewässerung; oben das unbewohnbare Gebiet