1865 -
Leipzig
: Amelang
- Autor: Fix, Wilhelm
- Sammlung: Realienbuecher vor 1871
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Inhalt Raum/Thema: Weltkunde
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entfaltet. Eine ähnliche Strasse ist unter der gegenwärtigen Regierung, die es
überhangt sehr auf die Verschönerung von Paris abgesehen [hat, mit grossen
Kosten mitten durch die Stadt gebrochen worden. Ohne Zweifel hat man durch
diese grossartigen Umänderungen ferneren Aufständen der leicht beweglichen
Pariser vorbeugen wollen. Ausserhalb der Boulevards breiten sich 14 Vor-
städte aus, von denen jede ihre ganz eigenthümliche Bevölkerung hat. Da
wohnen in der einen nur vornehme Adlige, in der andern nur reiche Fabrik-
herren, in der dritten nur Arbeiter u. s. f. Alle diese Vorstädte sind von einer
5 Meilen langen, von beinahe /60 Thoren oder Barrieren durchbrochenen
Ringmauer umschlossen. Zu weiterm Schutze ziehen sich rings um das gewal-
tige Ilüusermeer noch 16 Forts, durch deren Anlage die Hauptstadt zugleich in
eine der stärksten Festungen des Landes umgewandelt worden ist. Dadurch,
dass vor nicht langer Zeit auch der die Ringmauer einschliessende Kranz von
Dörjern mit in das Stadtgebiet aufgenommen wurde, ist dessen Einwohner-
zahl auf mehr als anderthalb Millionen gestiegen. >— Merkwürdig sind die im
Kalkgebirge von Natur vorhandenen oder künstlich angelegten Höhlen, die sich
weit unter die Häuser und Strassen der Stadt fortsetzen und von Alters her
zur Begräbnisstätte der Todten dienten. Noch jetzt Jihden sich in diesen
schauerlichen Grabgewölben oder Katakomben Tausende von Leichen vor,
Jjaris, die Hauptstadt Frankreichs, ist zugleich das Herz des Landes.
Das gesummte geistige Leben des Volkes hat hier seinen Mittelpunkt. Hier sind
die besuchtesten Bildungsanstalten, hier haben die Künste ihren Sitz. Wer in
Frankreich geachtet und geehrt werden und als ein gebildeter Mensch erscheinen
will, der muss in Paris gewesen sein und sich die jeinen Sitten der Hauptstadt
angeeignet haben. Auch alle die zahlreichen Volksbewegungen, die Frankreich
erschüttert huben, sind von Paris ausgegangen, und die Regierung weiss sehr
wohl, dass das ganze Land ruhig ist, wenn die Hauptstadt im Zaume gehal-
ten wird. ' •
Auch im gewerblichen Leben nimmt Paris den ersten Rang ein. Keine Stadt
der Welt liefert eine so grosse Menge der kostbarsten Erzeugnisse menschlichen
Kunstfleisses, als Paris. Kein Stoff, der hier nicht zu den verschiedensten
Dingen verarbeitet würde; — Gold und Silber, Eisen und Stahl, feines Holz,
Horn und Elfenbein, Glas und Porzellan, Seide, Wolle und Baumwolle. Die
grossartigsten Manujäcturen werden von der Regierung verwaltet, namentlich
diejenigen, in denen durch die vollendetste Webekunst prachtvolle Gemäldutapeten
{Gobelins)*) angefertigt werden.
Auch in der Umgegend von Paris sind noch mehrere, theils durch ihre Ge-
werbthütigkeit, theils durch geschichtliche Ereignisse wichtige Orte. In Ver-
sailles, westlich von Paris, liess Ludwig Xiv. ein prächtiges Schloss erbauen,
das 100 Jahre lang die Residenz der französischen Könige blieb. Jetzt dient
dasselbe zu einer Gemäldegallerie; der Park wird von den Parisern viel besucht.
Nördlich von Paris liegt die Abtei St. Denis mit den alten Königsgräbern, die
jedoch zur Zeit der Revolution verwüstet ivorden sind. Die uralte rothseidene Fahne
dieser dem Schutzpatrone Frankreichs (Dionysius, Ap. Gesch. 17, 34.) geweihten
Abtei, Orijlamme genannt, wurde zum Banner Frankreichs bestimmt und bis ins
') (/$. 210) Qobelänys. Wärsallj'. Säug Jjenni/i