1865 -
Leipzig
: Amelang
- Autor: Fix, Wilhelm
- Sammlung: Realienbuecher vor 1871
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Inhalt Raum/Thema: Weltkunde
407
Baume hinaus einen ununterbrochenen Tumult sich drängender und durch-
einander flatternder Taubenvölker gewahrte. Das Kauschen der Flügel
glich dem des Donners. Dazwischen krachten die mit Nestern beladenen
fallenden Bäume, die unablässig mit Aexten umgehauen wurden. Oft lie-
ferte ein einziger Baum durch seinen Sturz ein bis zweihundert junge Tau-
den, die den Alten an Grösse wenig nachgaben und fast ganz aus Fettmasse
bestanden. Erst dann werden sie magerer, wenn sie selbst ihr Futter suchen
müssen. Das ausgeschmolzene Fett wird statt Butter und Schmalz in der
Haushaltung gebraucht. — In jedem Neste befindet sich übrigens immer
nur ein Junges; doch soll das Brüten drei- bis viermal wiederholt werden.
Ausser Bucheckern und andern Früchten der Waldbäume fressen die
Wandertauben auch Maiskörner, Hanfsamen, Heidelbeeren u. s. w. Oft hat
eine einzige Taube eine reichliche Hand voll Körner in ihrem Kropfe. Um
einen Ueberschlag von dem zu machen, was ein solcher Schwarm täglich
verzehren mag, suchte der Engländer Wilson die Zahl der Tauben zu
schätzen, die er einmal vorüberziehen sah. Der Zug war eine Viertelmeile
breit und legte in einer Minute eine eben solche Strecke zurück. Nun
dauerte aber der Flug im Ganzen vier Stunden, so dass eine Länge von 60
Meilen angenommen werden konnte. Vorausgesetzt nun, dass drei Tauben
übereinander flogen, so macht das weit über zweitausend Millionen Tauben.
Eine ungeheure Zahl, und doch wahrscheinlich noch viel zu gering! Wenn
nun eine jede dieser Tauben alle Tage nur einen halben Schoppen Körner
verzehrt, so beträgt der tägliche Verbrauch eines solchen Schwarms achte-
halb Millionen Scheffel. Zum Glück haben sie einen sehr raschen Flug
und die Neigung, nur über unbewohnte Theile der Erde sich zu verbreiten.
Wäre dieses nicht der Fall, so müssten sie entweder selbst umkommen,
oder sie würden alle Erzeugnisse der Wälder und Felder allein verzehren.
Das sind die Wandertauben in Nordamerika. Sie sehen schieferblau
aus, aber Kehle und Brust sind braun, der Bauch weiss; die Flügel haben
schwarze Flecken.
10«, Die Länder an der Hudsonsbai.
Im hohen Norden Amerika's steht der atlantische Ocean durch die
Davisstraße') mit der schon zum Eismeere gehörigen Baffins-
bai in Verbindung. Ein fast undurchdringliches Gewirr von Inseln lind
Meerengen zieht sich von hier an der ganzen, dem Pole zugewandten Küste
des Erdtheils entlang. Seit etwa 50 Jahren stellten sich kühne Seefahrer
die Aufgabe, dieses Labyrinth zu durchforschen, um wo möglich eine nord-
westliche Durchfahrt ans dem atlantischen in den stillen Ocean aufzu-
finden. Mit bewundernswürdiger Ausdauer haben insbesondere die Eng-
länder Roß, Franklin und Parry und der Amerikaner Kaue dieses
Ziel verfolgt. Nach vielen vergeblichen Bemühungen und nach Aufopferung
vieler Menschenleben ist es endlich i. I. 1850 dem Eapitain M'elnre ge-
lungen, diese Durchfahrt aufzufinden. Aber einen Gewinn hat man von
dieser Entdeckung nicht gehabt. Denn das ganze Meer der nördlichen Durch-
fahrten ist voll von Eisbergen, welche die Schiffe zu zerstören droben. Die
Inseln sind der Kälte wegen völlig unbewohnbar; an ihren Küsten starren
sie von Schnee und Eis, so daß man niemals reckt weiß, wo das Land auf-
hört und das Meer beginnt. Von besonderer Wichtigkeit ist nur die.sznr
Gruppe der nördlichen Georgs in sc ln gehörige Insel Melville. In
ihrer Nähe hat nämlich Eapitain Roß den magnetischen Nordpol der
Erde aufgefunden, — denjenigen Punkt, über welchem eine Magnetnadel,
:) Sprich: Dehwisstr. Pärri. Äehn. Mäkkluer.